Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. gesetzliche Unfallversicherung. Sozialdatenschutz. Löschung bzw Entfernung eines fachärztlichen Gutachtens aus den Akten. kein Verstoß gegen Auswahlrecht oder Widerspruchsrecht gem § 200 Abs 2 SGB 7. medizinischer Gutachter. anderes Mitglied einer Gemeinschaftspraxis
Orientierungssatz
1. Führt bei der Beauftragung einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis nicht das (zusätzlich) namentlich erwähnte Mitglied, sondern ein anderes Mitglied der Gemeinschaftspraxis den Gutachtenauftrag durch, und hat der Versicherte nicht ausdrücklich ein bestimmtes Mitglied der Gemeinschaftspraxis benannt, liegt darin weder ein Verstoß gegen das Auswahlrecht noch gegen das Widerspruchsrecht iSd § 200 Abs 2 SGB 7 vor.
2. Der Anspruch auf vollständige Entfernung eines Gutachtens aus den Akten kann nicht allein wegen eines Verstoßes gegen das Auswahlrecht gem § 200 Abs 2 Halbs 1 SGB 7 begründet werden.
Normenkette
SGB VII § 200 Abs. 2; SGB X § 84 Abs. 2 S. 1, § 67 Abs. 1, 6 S. 2 Nr. 1, § 67c Abs. 1, § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 2, § 76 Abs. 2; ZPO § 407a Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30. November 2005 wird, soweit es den Bescheid vom 22. Juli 2005 betrifft, zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Entfernung eines orthopädischen Gutachtens aus den Akten der Beklagten.
Im November 2002 erstattete der Orthopäde T aus L die Ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit (BK) und gab hierzu an, der 1961 geborene und als Stukkateurmeister tätige Kläger führe seine Rückenschmerzen auf schweres regelmäßiges Heben, Tragen und Bücken zurück. Die Beklagte zog im Rahmen des Feststellungsverfahrens zu der Frage, ob bei dem Kläger eine Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt, zunächst Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der Innungskrankenkasse O bei. Der sodann beratungsärztlich eingeschaltete Dr. C, Facharzt für Chirurgie in L1, hielt nach Aktenlage das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV aufgrund der radiologischen Befunde für eher unwahrscheinlich. Der mit der Ermittlung der berufsbedingten Gesamtbelastung der Wirbelsäule beauftragte Technische Aufsichtsdienst (TAD) kam am 30.04.2003 zu dem Ergebnis, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vorliegen.
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 13.05.2003 mit, dass beabsichtigt sei, durch ein ärztliches Gutachten feststellen zu lassen, ob eine BK vorliege und gegebenenfalls welche Leistungen ihm zustünden. Sie schlug dem Kläger hierzu neben Dr. C und Dr. T1, Arzt für Chirurgie in C1, die "Orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. B" in Bad O1 als Gutachter zur Auswahl vor. Ferner wurde der Kläger in dem Anschreiben darauf hingewiesen, dass das Gutachten aufgrund einer Untersuchung erstattet werden solle, zu der der Gutachter andere Ärzte hinzuziehen könne, und dass er der Übermittlung der Unterlagen über die bisherigen Feststellungen an den Gutachter widersprechen könne. Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 20.05.2003 mit, er sei mit dem Gutachter "Orthopädische Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. Dr. B" einverstanden.
Unter dem 27.07.2003 erstatte Dr. T2, Mitglied der Orthopädischen Gemeinschaftspraxis, auf der Grundlage einer von ihm am 25.07.2003 vorgenommenen Untersuchung ein Gutachten, in welchem er im Ergebnis das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV verneinte. Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV mit Bescheid vom 02.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.12.2003 ab.
Dagegen hat der Kläger am 06.01.2004 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben.
Das SG hat von Amts wegen Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens bei Dr.W, Facharzt für Orthopädie in S, vom 04.02.2005 nebst ergänzender Stellungnahme vom 12.04.2005. Der Sachverständige (SV) gelangte ebenfalls zu der Auffassung, dass die medizinischen Voraussetzungen der BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vorliegen.
Während des laufenden Klageverfahrens hat sich der Kläger mit Schriftsatz vom 20.05.2005 an die Beklagte gewandt und beantragt, das im Verwaltungsverfahren von Dr. T2 erstellte Gutachten vom 27.07.2003 zu löschen, hilfsweise zu sperren. Er hat hierzu vorgetragen, er habe den vorgeschlagenen Gutachter Prof. Dr. Dr. B ausgewählt und die Beklagte befugt, diesem Arzt seine Gesundheitsdaten zu offenbaren. Prof. Dr. Dr. B sei sodann auch mit der Erstellung des Gutachtens beauftragt worden. Dieser habe den Auftrag jedoch nicht erfüllt und an Dr. T2 weiter gegeben, der den Gutachtenauftrag erledigt und mit seiner Unterschrift die Verantwortung für das Gutachten auch alleine übe...