Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialgerichtliches Verfahren. Berufungsausschluss. Asylbewerberleistungsrecht. Wartefrist für Analogleistung. minderjähriges Kind vor Vollendung des dritten bzw vierten Lebensjahres im Elternhaushalt. Leistungsausschluss. Leistungshöhe gem § 3 AsylbLG. Verfassungsmäßigkeit. Völkerrechtskonformität
Orientierungssatz
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Statthaftigkeit der Berufung ist der Zeitpunkt ihrer Einlegung; das spätere Abkürzen des streitigen Zeitraumes unter die Jahresgrenze des § 144 Abs 1 S 2 SGG (bei gleichzeitigem Unterschreiten des Beschwerdewertes des § 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG) ist unbeachtlich.
2. Die Wartefrist für den Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist unabhängig von Familienstand und Alter des Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG zu beurteilen (hier: kein Anspruch eines Kindes vor Vollendung seines dritten bzw vierten Lebensjahres). Eine erweiternde Auslegung der Norm selbst kommt nicht in Betracht.
3. Die Vorschrift des § 2 Abs 3 AsylbLG stellt lediglich eine Einschränkung des Anspruchs aus § 2 Abs 1 AsylbLG dar; sie begründet weder eine uneingeschränkte Akzessorietät der Ansprüche grundsätzlich nach dem AsylbLG leistungsberechtigter minderjähriger Kinder zu den Ansprüchen der mit ihnen in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern noch bildet sie eine eigene Anspruchsgrundlage.
4. Der Leistungsausschluss des § 2 Abs 1 AsylbLG für minderjährige Kinder vor Vollendung des 3. bzw ab 28.8.2007 des 4. Lebensjahres stellt keinen Verstoß gegen übergeordnetes Recht, insbesondere nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art 3 Abs 1 GG oder gegen Art 27 Buchst b UNKRÜbk dar.
5. Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Leistungen nach § 3 AsylbLG, die für das Jahr 2007 mit etwa 35% unter den Regelsätzen nach dem SGB 12 eingestuft werden.
Tenor
Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 07.02.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob den Klägerinnen Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vor Vollendung des dritten Lebensjahres zustehen.
Die Mutter der Klägerinnen reiste im Jahre 2001 zusammen mit ihrem Lebensgefährten T T aus Aserbaidschan in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 29.11.2001 beantragte die Mutter Asyl. Seit dem 19.12.2001 bezog sie Leistungen nach § 3 AsylbLG. Die Klägerin zu 1 kam am 15.12.2002 und die Klägerin zu 2 am 05.01.2004 zur Welt; Vater der Kinder ist der Lebensgefährte der Mutter. Nach Ablauf eines Leistungsbezugs von drei Jahren erhielt die Mutter der Klägerinnen bei noch nicht abgeschlossenem Asylverfahren zunächst höhere Leistungen gemäß § 2 AsylbLG. Die Klägerin zu 1 erhielt ab dem 03.01.2003 Leistungen nach § 3 AsylbLG, die Klägerin zu 2 ab dem 13.01.2004. Am 24.08.2005 teilte das Ausländeramt der Beklagten mit, das Asylverfahren sei rechtskräftig abgeschlossen, und es bestehe eine vollziehbare Ausreisepflicht der Mutter.
Mit Bescheid vom 12.10.2005 berechnete die Beklagte die Leistungen nach dem AsylbLG neu; monatlich werde ein Betrag von 531,88 EUR gezahlt. Aus dem Berechnungsbogen des Bescheides ergibt sich, dass den Klägerinnen, jedoch nunmehr auch wieder ihrer Mutter, Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt wurden; dabei ergab sich für die Klägerinnen jeweils eine Grundleistung von 112,48 EUR abzgl. einer Kürzung für Haushaltsstrom von 2,56 EUR sowie ein Barbetrag von 20,45 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
Die Klägerinnen und ihre Mutter legten Widerspruch ein mit der Begründung, ihnen stünden höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.01.2006 gewährte die Beklagte der Mutter der Klägerinnen weiterhin Leistungen nach § 2 AsylbLG; da über den Asylantrag des Vaters der Klägerinnen noch nicht abschließend entschieden sei, sei nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Aufenthaltsdauer durch die Mutter auszugehen. Dem Widerspruch für die Klägerin zu 1 wurde für die Zeit ab dem 03.01.2006 stattgegeben; für die davor liegende Zeit wurde er als unbegründet zurückgewiesen. Die Klägerin zu 1 sei im Besitz einer Duldung nach § 60a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und damit nach § 1 Abs. 1 Ziff. 4 AsylbLG leistungsberechtigt nach § 3 AsylbLG. Ein höherer Anspruch nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum 01.10.2005 bis 02.01.2006 bestehe jedoch nicht, da (bei Leistungsbezug seit dem 03.01.2003) in dieser Zeit noch keine Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Dauer von 36 Monaten bezogen worden seien. Der Widerspruch für die Klägerin zu 2 wurde vollständig zurückgewiesen. Für sie kämen (bei Leistungsbezug seit dem 13.01.2004) frühestens ab dem 13.01.2007 höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG in Frage.
Hiergegen haben die Klägerinnen am 20.02.2007 Klage erhoben und vorgetragen, die Handhabung des § 2 AsylbLG durch die Beklagte würde bedeuten, dass Kinder unter drei Jahren niemals Anspru...