Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs wegen Entlassungsentschädigung nach Sozialplan. ordentliche Unkündbarkeit. Nichteinhaltung der fiktiven Kündigungsfrist. tarifliche Zulässigkeit der Kündigung bei Betriebsänderung

 

Orientierungssatz

Ist nach dem vereinbarte Sozialplan zwingend eine Abfindung zu zahlen, so findet § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 auch dann Anwendung, wenn der Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers nach den tariflichen Vorschriften bei einer Betriebsänderung iS von § 111 BetrVG nicht gelten soll und der Tarifvertrag eine Kündigung gegen Entlassungsentschädigung nicht ausdrücklich vorsieht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.02.2006; Aktenzeichen B 7a AL 44/05 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. Februar 2004 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die dem Kläger im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewährte Abfindung zum Ruhen seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 01.06. bis 06.09.2003 führt.

Der 1943 geborene Kläger war seit Juli 1974 bei der Firma S und B in D als Schichtführer beschäftigt. Maßgeblich für das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag - MTV - für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 25. August 2001 - 11. September 2001. Nach § 20 Nr. 3 dieses Vertrages beträgt die Kündigungsfrist des Arbeitgebers nach einer Betriebszugehörigkeit von 20 Jahren sieben Monate zum Ende eines Kalendermonats. § 20 Nr. 4 bestimmt, dass Beschäftigten, die das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb/Unternehmen 10 Jahre angehören, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden kann. Nach Satz 2 dieser Regelung gilt dies u. a. nicht bei Betriebsänderungen, wenn ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz nicht vorhanden ist.

Zwischen dem Betriebsrat und der Firma S und B, die damals zwischen 1100 und 1200 Arbeitnehmer beschäftigte, wurde am 16.08.2002 ein Sozialplan vereinbart. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Arbeitgeberin dem Kläger am 25.10.2002 zum 31.05.2003 aus betriebsbedingten Gründen bei Zahlung einer nach diesem Sozialplan in Verbindung mit dem am 16.08.2002 vereinbarten Interessenausgleich dem Kläger zustehenden Abfindung in Höhe von 33129,43 Euro.

Am 29.04.2003 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 01.06.2003 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg). Bei seinem Ausscheiden am 31.05.2003 waren die Lohnabrechnungszeiträume Juni 2002 bis Mai 2003 abgerechnet. Innerhalb dieser Zeit hatte der Kläger ein Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 30847,23 Euro erzielt. Mit Bescheid vom 28.10.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab 07.09.2003 für die Dauer von 960 Tagen. Für die Zeit zuvor ordnete sie mit Bescheid vom 18.06.2003 das Ruhen des Alg wegen der Abfindung bis zum 06.09.2003 an. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, dass die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur bei Zahlung einer Abfindung möglich gewesen sei. Daher gelte eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Diese Frist sei bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht eingehalten worden, so dass der Anspruch ruhe.

Gegen den Bescheid vom 18.06.2003 erhob der Kläger Widerspruch. Die Voraussetzungen des § 143 a SGB III seien nicht erfüllt, weil nach dem MTV die ordentliche Kündigung nicht ausgeschlossen sei. § 20 Nr. 4 S. 2 lasse diese nämlich im Falle einer Betriebsänderung zu. Diese sei bei seinem Arbeitgeber erfolgt. Ein anderer zumutbarer Arbeitsplatz sei für ihn nicht vorhanden gewesen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.07.2003).

Am 09.07.2003 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist bei seiner Auffassung verblieben und hat ergänzend dargelegt, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die zu Tarifklauseln ergangen sei, die die ordentliche Kündigung bei Vorliegen eines Sozialplans erlaubten, sei auf seinen Fall nicht übertragbar. Betriebsänderungen hätten keineswegs zwingend den Abschluss eines Sozialplans zur Folge. Eine Verknüpfung zwischen einer Abfindungszahlung und der Eröffnung der ordentlichen Kündigungsmöglichkeit sei daher nach § 20 Abs. 4 MTV gerade nicht gegeben.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 24.02.2004 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihm am 13.04.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 04.05.2004 eingelegte Berufung des Klägers. Nach seiner Ansicht halten die entscheidungserheblichen Grundsätze des Sozialgerichts einer Überprüfung an höherrangigem Recht und Sinn und Zweck der Regelung nicht Stand. Wie schon die Vorläuferregelung des § 117 Abs. 2 AFG differenziere auch § 143 a SGB III nicht hinreichend zwischen den unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Sachverhalten, die zur Zahlung einer Abfindung führten. Die konkrete Betrachtungsweise des Bundessozialgerichts, der sich das Sozialgericht anges...

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