Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Rechtswirksamkeit einer Rückforderung darlehensweise gewährter Grundsicherungsleistungen
Orientierungssatz
1. Die Rückzahlungspflicht eines Darlehensnehmers ergibt sich aus der Gewährung des Darlehens selbst, weil sie der Rechtsnatur eines Darlehens immanent ist. Der Voraussetzungen des § 50 SGB 10 bedarf es zur Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs durch Verwaltungsakt infolgedessen nicht, vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 11/10 R.
2. Die Form der Rückforderung eines Darlehens seitens des Leistungsträgers richtet sich nach der Form der Darlehensgewährung. Er kann danach seinen Rückzahlungsanspruch entweder durch Verwaltungsakt oder durch die Erhebung einer Leistungsklage geltend machen.
3. Nach Erlass eines Grundbescheides steht es dem Leistungsträger frei, die Darlehensmodalitäten durch einen zweiten Verwaltungsakt oder durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags festzulegen.
4. Bei seiner Entscheidung über die Ausgestaltung der Darlehensmodalitäten hat der Leistungsträger den Sinn und Zweck der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes hat er die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Darlehensnehmers zu beachten. Durch die Pflicht zur Tilgung des Darlehens darf die Existenzsicherung des Darlehensnehmers nicht gefährdet werden.
5. Es widerspricht dem Zweck der Leistungen nach dem SGB 2, wenn der Darlehensnehmer die Tilgung des fällig gestellten Darlehens aus den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 bestreiten muss. Ein Rückzahlungsbescheid, der dies nicht beachtet, ist rechtswidrig ergangen, vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2010 - B 4 AS 70/09 R.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.07.2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von darlehensweise gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 08.02.2005 bis 31.07.2007.
Die Klägerin und ihr geschiedener Ehemann, E J (I.), erwarben 1999 eine Eigentumswohnung, im T-weg 00, H. Die Klägerin ist zur Hälfte Miteigentümerin der Wohnung. Die Wohnung ist dinglich unbelastet.
Am 08.02.2005 zog die Klägerin mit ihren drei Kindern (geboren 1993, 2002, 2004) aus der ehelichen Wohnung T-weg 00, H aus. Seit der Trennung des Ehepaares nutzt I. die Wohnung alleine und trägt die Wohnungskosten. Durch Urteil des Amtsgerichts H vom 05.07.2007, 15 F 213/06, wurde die Ehe geschieden. Ein Zugewinnausgleich wurde nicht durchgeführt.
Am 16.04.2008 beantragte die Klägerin beim Amtsgericht H, 024 K 023/08, die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft an der Eigentumswohnung ("Teilungsversteigerung"). Das Amtsgericht holte ein Verkehrswertgutachten von dem Dipl. Ing. und Architekten K ein, der den Verkehrswert der Wohnung nach einer Außenbesichtigung der Wohnung und einer Auswertung der Bauakte zum Stichtag, 31.07.2008 auf 65.000,00 EUR schätzte. Im anberaumten Teilungsversteigerungstermin am 28.04.2009 erschien nach Aufruf der Sache niemand. Durch Beschluss vom 28.04.2009 stellte das Amtsgericht H nach §§ 180 Abs. 1, 77 Abs. 1 Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) das Zwangsversteigerungsverfahren einstweilen ein und verfügte mit Beschluss vom 10.11.2009 die Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 31 Abs. 1 Satz 2 ZVG.
Seit dem 08.02.2005 bezieht die Klägerin zusammen mit ihren drei Kindern durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit der Trennung von I. übt die Klägerin keine Erwerbstätigkeit aus und hat bis auf das Kindergeld für drei Kinder und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) kein Einkommen. Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) gewährte der Bedarfsgemeinschaft, bestehend aus der Klägerin und ihren drei Kindern, Leistungen nach dem SGB II als Darlehen für die Zeit vom 08.02. bis zum 31.08.2005. In dem Bescheid war ausgeführt:
"Die Bewilligung erfolgt als Darlehen gem. 9 Abs. 4 SGB II, da sie Miteigentümer einer schuldenfreien Eigentumswohnung im Haus T-weg 00 sind und dieses Vermögen zur Zeit nicht sofort verwertbar ist, da der Ehemann die Wohnung weiterhin benutzt."
Der Änderungsbescheid vom 10.06.2005 betreffend Höhe der Leistungen für die Zeit vom 08.02. bis zum 30.06.2005 enthält keinen Zusatz, dass die Leistungen darlehensweise gewährt werden. Die Änderungsbescheide vom 09.06.2005 und vom 22.01.2006, die die Höhe der Leistungen für die Zeit vom 01.07. bis zum 31.08.2005 regeln, führen aus, dass die Leistungen darlehensweise bewilligt werden.
Durch Bescheid vom 26.08.2005 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihren drei Kindern Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss für die Zeit vom 01.09.2005 bis z...