Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Analogleistung. keine Erfüllung der Vorbezugszeit durch Bezug von Analogleistungen nach § 2 Abs 1 AsylbLG aF. Unzulässigkeit einer erweiternden Auslegung des § 2 Abs 1 AsylbLG. kein Anspruch auf höhere Grundleistungen. Geltung der Übergangsregelung des BVerfG erst ab 1.1.2011

 

Leitsatz (amtlich)

An der Auslegung von § 2 Abs 1 AsylbLG ändert sich durch das Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 nichts. Das gilt auch, wenn der Leistungsberechtigte eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG (juris: AufenthG 2004) innehat. Verfassungsrechtliche Fragen zum Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verorten sich allein bei § 3 AsylbLG; hierzu bindet die frühestens am 1.1.2011 einsetzende Übergangsregelung des BVerfG nach § 31 BVerfGG die Gerichte auch für Leistungszeiträume bis zum 31.12.2010.

 

Orientierungssatz

Die Vorbezugszeit nach § 2 Abs 1 AsylbLG ist keine Wartefrist, innerhalb derer es unerheblich wäre, ob und welche (Sozial-)Leistungen der Ausländer bezogen hat. Der Wortlaut des § 2 Abs 1 AsylbLG ist insoweit zwingend und einer erweiternden Auslegung etwa dahin, dass auch höhere Leistungen nach § 2 AsylbLG die Vorbezugszeit auffüllen können, nicht fähig (vgl BSG vom 17.6.2008 - B 8/9b AY 1/07 R = BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2).

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 16.01.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nach Abschluss eines Teilunterwerfungsvergleichs noch um die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG an Stelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG im Zeitraum vom 01.06. bis zum 30.06.2010.

Der 1953 geborene Kläger zu 1 und die 1952 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet. Sie sind bosnische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 2 reiste im September 2003 in das Bundesgebiet ein und erhielt ab dem 25.09.2003 bis zum 30.11.2006 sog. Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, ab dem 01.12.2006 sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Der Kläger zu 1 reiste im Mai 2004 in das Bundesgebiet ein. Ihm wurden im Zeitraum vom 02.06.2004 bis zum 31.08.2007 Leistungen nach § 3 AsylbLG und ab dem 01.09.2007 nach § 2 AsylbLG gewährt. Der Kläger zu 1 ist seit dem 31.07.2007, die Klägerin zu 2 seit dem 17.07.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 S. 1 AufenthG. Seit dem 01.08.2007 bewohnen sie eine Mietwohnung in L; bis zu diesem Zeitpunkt waren sie in einer Gemeinschaftsunterkunft (ebenfalls in L) untergebracht.

Mit Schreiben vom 11.05.2010 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass sie die Vorbezugszeit von 48 Monaten mit Grundleistungen nach § 3 AsylbLG als Voraussetzung für eine Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nicht erfüllt hätten. Aus einer Entscheidung des Bundessozialgerichts folge, dass eine Gewährung von Analogleistungen einen tatsächlichen 48-monatigen Grundleistungsbezug voraussetze; Zeiten ohne Grundleistungsbezug könnten nicht berücksichtigt werden. Voraussichtlich ab dem 01.06.2010 werde deshalb bis zum Erfüllen der Vorbezugszeit nur der Bedarf nach § 3 AsylbLG berücksichtigt.

Mit Bescheid vom 26.05.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Monat Juni 2010 nur mehr Grundleistungen nach § 3 AsylbLG (Geldleistungen von 199,40 EUR an den Kläger zu 1 und von 224,97 EUR an die Klägerin zu 2, zuzüglich Unterkunftskosten in tatsächlich angefallener Höhe). Die Kläger legten Widerspruch ein mit der Begründung, ihnen stünden auch weiterhin Analogleistungen zu. Ihr Vorbezug von Leistungen nach § 2 AsylbLG sei bei der Vorbezugszeit i.S.d. § 2 Abs. 1 AsylbLG in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung (n.F.) mit zu berücksichtigen. Die anderslautende Rechtsauffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R) sei angesichts der Gesetzesbegründung fehlerhaft, weil letztere allein auf die Aufenthaltsdauer abstelle. Eine "Rückstufung" von Analog- auf Grundleistungen erst drei Jahre nach Änderung der Vorbezugszeit in § 2 AsylbLG von 36 auf 48 Monate verstoße zudem gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger zu 1 habe lediglich Vorbezugszeiten von 38 Monaten und 29 Tagen, die Klägerin zu 2 von 38 Monaten und 6 Tagen mit Leistungen nach § 3 AsylbLG zurückgelegt. Nach der Rechtsprechung des BSG bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 2 AsylbLG (n.F.).

Mit weiteren Widersprüchen vom 12.09.2010 und 08.11.2010 wandten sich die Kläger auch gegen die Höhe der faktisch durch Auszahlung erfolgten Bewilligungen von Grundleistungen für Juli bis September 2010 bzw. Oktober 2010. Diese Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2010 aus den Gründen des früheren Widerspruchsbescheides ebenfalls zurück.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hab...

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