Entscheidungsstichwort (Thema)
Europarechtskonformität und Verfassungsmäßigkeit der Verlängerung der Zurechnungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung nur für Neurentner durch das RVLVuStabG
Orientierungssatz
Es verstößt weder gegen EU-Recht noch gegen Art 3 GG, dass von der mit dem RVLVuStabG normierten Verlängerung der Zurechnungszeit nur Neurentner profitieren.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in einem Verfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) um die Neuberechnung der dem Kläger seit dem 01.03.2004 bewilligten Rente wegen Erwerbsminderung. Insofern begehrt der Kläger die Berechnung der Rente unter Berücksichtigung einer Zurechnungszeit, die mit Vollendung des 65. Lebensjahres und acht Monaten endet.
Der am 00.00.1956 geborene Kläger beantragte erstmals am 28.01.2004 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte bewilligte mit Rentenbescheid vom 07.04.2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.03.2004 bis zum 31.03.2005. In dem Bescheid wurde die Zeit vom 01.09.2003 bis zum 11.06.2016 (also 154 Monate) als Zurechnungszeit berücksichtigt. Mit darauf folgenden Weiterbewilligungsbescheiden verlängerte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung durchgängig. Mit Bescheid vom 20.04.2011 bewilligte die Beklagte dem Kläger dann letztlich ab dem 01.09.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer bis zum Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze. Die Berechnungsgrundlagen blieben insgesamt unverändert.
Mit Schreiben vom 02.01.2019 wandte sich der Kläger an die Beklagte; er beantrage die Neuberechnung seiner Erwerbsminderungsrente, nachdem die Bundesregierung das Rentenpaket I auf den Weg gebracht habe. Er beziehe eine Rente, die vor dem 01.07.2014 bewilligt worden sei. Seine Zurechnungszeit ende mit Vollendung des 60. Lebensjahres. Die neue Regelung sehe die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit auf das Alter von 65 Jahren und acht Monaten vor. Er werde hier benachteiligt. Die Stichtagsregelung widerspreche EU-Recht (römisches Recht, Gleichbehandlung). Daher sei die Regelung nach dem EU-Recht rechtswidrig, auch wenn das Bundesverfassungsgericht und das Bundessozialgericht die Stichtagsregelung nicht beanstandeten.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.01.2019 mit, dass eine Neuberechnung der Erwerbsminderungsrente nicht erfolgen könne. Eine Verlängerung der Zurechnungszeit nach dem RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz (RV-LVSG) finde nur Berücksichtigung bei Erwerbsminderungsrenten mit einem Rentenbeginn ab dem 01.01.2019. Somit bleibe es bei der bereits berücksichtigten Rente.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 19.01.2019 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Aktenzeichen S 58 R 63/19). Die Klage nahm er zurück und beantragte, sie als Widerspruch zu werten.
Innerhalb des nun eröffneten Widerspruchsverfahrens teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 28.02.2019 mit, es sei grundsätzlich das Recht anzuwenden, das im Zeitpunkt der Rentenantragstellung gelte; § 300 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Das Ende einer Zurechnungszeit sei in § 253 Buchst. a SGB VI geregelt. Bei Erwerbsminderungsrenten mit einem Rentenbeginn in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 30.06.2014 - wie auch bei dem Kläger - ende die Zurechnungszeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres.
Daraufhin teilte der Kläger mit Schreiben vom 06.03.2019 mit, er halte seinen Widerspruch aufrecht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Rücknahme des Bescheides vom 07.04.2004 nach § 44 SGB X und eine Neuberechnung unter Verlängerung der Zurechnungszeit auf 65 Jahre und acht Monate komme nicht in Betracht, da bei Erlass des Bescheides vom 07.04.2004 das Recht nicht unrichtig angewandt und nicht von einem falschen Sachverhalt ausgegangen worden sei.
Hiergegen hat der Kläger am 03.05.2019 Klage zum Sozialgericht (SG) Duisburg erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die vom Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung zwischen "Alt- und Neurentnern" unter Berücksichtigung eines Stichtages zum 01.01.2019 werde wohl vom Bundessozialgericht und vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Er sei aber der Rechtsauffassung, dass hier europäisches Recht (Gleichbehandlung) Vorrang habe. Das Verfahren müsse dem EuGH vorgelegt werden.
Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2019 zu verurteilen, die Bewilligungen der Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit seit dem 01.03.2004 nach § 44 SGB X zu überprüfen und eine...