Entscheidungsstichwort (Thema)
Bildung des GdB im Schwerbehindertenrecht bei einer Colitis ulcerosa und im Wesentlichen hierdurch hervorgerufenem psychischen Leiden. Beeinträchtigung der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft. Durchfälle. Wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit
Orientierungssatz
1. Die Bewertung einer Colitis ulcerosa im Schwerbehindertenrecht richtet sich nach VersMedV Teil B Nr. 10.2.2 .
2. Für den Ansatz eines GdB von 30 spricht ein Bestehen langer schubfreier Phasen dieser Erkrankung und wenn auch innerhalb der Schübe ein wechselndes Beschwerdebild vorliegt.
3. Die Bewertung eines damit einhergehenden psychischen Leidens richtet sich nach VersMedV Teil B Nr. 3.7 . Besteht neben einer gemischten Angst- und depressiven Erkrankung eine somatoforme Störung, so ist eine solche Funktionsbeeinträchtigung, wenn sie mit einer wesentlichen Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit einhergeht, mit einem GdB von 30 zu bewerten.
4. Ist wesentliche Ursache der vorhandenen psychischen Probleme die bestehende Colitis ulcerosa, dann ist von einer Überschneidung beider Leiden auszugehen. Dies hat zur Folge, dass der Gesamt-GdB mit 40 festzusetzen ist.
Normenkette
SGB IX § 2 Abs. 1, § 69 Abs. 1; BVG § 30 Abs. 17
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.06.2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) der Klägerin.
Die am 00.00.1974 geborene Klägerin arbeitet in Vollzeit als Softwareentwicklerin. Sie leidet seit 2001 insbesondere unter den körperlichen und psychischen Folgen einer Colitis ulcerosa.
Am 10.10.2011 stellte sie unter Vorlage ärztlicher Unterlagen einen Erstantrag auf Feststellung ihres GdB. Seit Jahresanfang befinde sie sich in einem Schub. Schübe der Colitis ulcerosa zeichneten sich durch blutige Durchfälle, Unterbauchkrämpfe und vermehrten unkontrollierten sowie nächtlichen Stuhlgang aus. Sie leide unter Angstzuständen und sei in ihrem gesamten Leben eingeschränkt. Sie fahre nur noch mit dem eigenen Auto und meide Großveranstaltungen. Die Beklagte holte Befundberichte der ärztlichen Psychotherapeutin Dr. I, des Allgemeinmediziners und Internisten Dr. T sowie des Internisten Dr. D ein. Dr. I gab an, die Klägerin sei von 2003 bis 2005, sporadisch in 2007 und 2008 und jetzt wieder seit Juli 2010 in psychotherapeutischer Behandlung. Es bestünden anhaltende Stimmungsschwankungen, Grübelneigung, Ängste und Antriebshemmung, die sich in Zeiten beruflicher Belastung verstärkten. Dr. T berichtete zusätzlich von einer Migräne und einem saisonalen Asthma bronchiale. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Bad N über einen Aufenthalt vom 31.08. bis zum 12.10.2011. Danach sei anfänglich über Bauchschmerzen und 5-10 durchfällige Stühle täglich, oft mit Schleimabgang geklagt worden. Es liege ein psychosomatisch begründetes Krankheitsmodell vor. Unter der Behandlung sei der akute Schub abgeklungen bei noch 2-5 Stühlen täglich ohne Blutauflagerung und gelegentlichen postprandialen Bauchschmerzen. Die Klägerin sei vollschichtig arbeitsfähig entlassen worden. In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme wurde die Colitis ulcerosa mit einem Einzel-GdB von 30, eine Depression mit einem Einzel-GdB von 20 und der GdB insgesamt mit 40 bewertet. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 08.12.2011 ab dem 10.10.2011 den GdB mit 40 fest. Hiergegen legte die Klägerin am 19.12.2011 Widerspruch ein. Die Colitis ulcerosa sei mit einem GdB von 50-60 zu bewerten. Der Stuhl sei blutig bei bis zu 20 Stühlen täglich. Es bestünden erhebliche soziale Einschränkungen und Sorge um den Arbeitsplatz. Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2012 zurück.
Am 20.03.2012 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Sie habe häufig auch nächtliche Stühle, es lägen eine Beeinträchtigung des Kräftezustandes sowie mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten vor, die mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten seien, der GdB insgesamt mindestens mit 60.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen Sachverständigengutachten des Allgemeinmediziners Dr. T1 und der Neurologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin C eingeholt. Ausweislich des Gutachtens der Sachverständigen C hat die Klägerin dort angegeben, die Psychotherapie habe ihr geholfen. Nach Trennung von einem langjährigen Partner sei sie seit zwei Jahren wieder liiert. Die Partnerschaft sei gut. Am Wochenende gehe sie mit ihrem Partner und Freunden ihren Hobbies nach. Die Darmproblematik sei aktuell erträglich, sie habe ihren Tagesablauf an die Erkrankung angepasst. Die Sachverständige C hat eine leichte Ängstlichkeit und Fixierung auf die körperlichen Symptome sowie diskrete Rückzugstendenzen festgestellt. Neben einer gemischten Angst und depressiven Erkrankung bestehe der Verdacht auf ei...