Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertungspflicht einer Kapitallebensversicherung zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit

 

Orientierungssatz

1. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB 2 nicht, wer seinen Lebensunterhalt u. a. aus zu berücksichtigendem Vermögen sichern kann.

2. Grundsätzlich müssen alle vorhandenen aktiven Vermögenswerte zur Absicherung des Lebensunterhalts eingesetzt werden.

3. Eine Kapitallebensversicherung ist als Vermögen nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2 nicht zu berücksichtigen, wenn deren Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

4. Offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liegt dann vor, wenn der aktuell zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum Substanzwert des Vermögensgegenstandes steht. Die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit ist nach der Rechtsprechung des BSG bei einem Verlust von 12,9 % bei der Verwertung einer Lebensversicherung noch nicht erreicht.

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.11.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Beklagte wendet sich gegen seine Verurteilung zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für März 2009.

Der am 00.00.1948 geborene Kläger ist Inhaber einer Kapitallebensversicherung mit Berufsunfähigkeitsschutz bei der A Lebensversicherung AG (Versicherungsschein-Nr.: 000). Die Laufzeit der Versicherung endet zum 01.12.2013. Am 08.09.2005 vereinbarte der Kläger mit dem Versicherungsunternehmen einen Verwertungsausschluss nach § 165 Abs. 3 VVG. Der Wert der vom Verwertungsausschluss betroffenen Ansprüche betrug 200,00 EUR je vollendetem Lebensjahr des Versicherungsnehmers und seines Partners, höchstens jedoch jeweils 13.000,00 EUR. Die Beitragszahlungen erfolgen jährlich, zum 01.12.2008 zahlte der Kläger einen Beitrag von 1.365,69 EUR. Laut Auskunft des Versicherungsunternehmens vom 02.02.2009 betrug der Rückkaufwert der Versicherung zuzüglich Überschüssen zum 01.02.2009 27.906,64 EUR.

Im März 2009 zahlte die A E Lebensversicherung AG an den Kläger zunächst 3.200,00 EUR und anschließend 5.000,00 EUR aus. Die Gutschriften auf das Girokonto erfolgten am 06.03.2009 bzw. 27.03.2009. Am 10.03.2009 überwies der Kläger einen Betrag von 3.000,00 EUR an Frau C zur Rückführung eines privaten Kredits. Der Kläger beglich am 26.03.2009 die Rechnung für eine Kraftfahrzeugreparatur i.H.v. 969,19 EUR bar. Das Girokonto des Klägers wies am 31.03.2009 ein Guthaben von 3.157,74 EUR auf.

Seit dem 01.12.2011 bezieht der Kläger eine monatliche Rente aus dem Versorgungswerk der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen i.H.v. 1.046,81 EUR brutto. Von der Rente erfolgt ein Abzug von 185,29 EUR für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge. Seit dem 01.09.2013 erhält der Kläger eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 234,54 EUR monatlich.

Seit August 2005 bezog der Kläger durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Im Januar 2009 beantragte er die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.03.2009. Er gab in der "Anlage VM" zur Feststellung der Vermögensverhältnisse u.a. an, er habe Beiträge i.H.v. insgesamt 29.952,06 EUR auf seine Kapitallebensversicherung eingezahlt. Der Auszahlungsbetrag bei Rück- oder Verkauf belaufe sich auf 29.044,72 EUR. Auf Nachfrage der Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich Beklagter) legte der Kläger eine Bescheinigung der A E Lebensversicherung AG vom 02.02.2009 vor, wonach sich der Rückkaufwert seiner Lebensversicherung zum 01.02.2009 auf 27.906,64 EUR beläuft.

Durch Bescheid vom 03.03.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Das Vermögen des Klägers von insgesamt 28.586,66 EUR (Rückkaufwert der Lebensversicherung 27.906,64 EUR + Guthaben Konto Q-bank 500,00 EUR + Bargeld 80,00 EUR + Guthaben Sparbuch 100,02 EUR) überschreite die Vermögensfreigrenze um 18.836,66 EUR. Die Verwertung der Lebensversicherung sei dem Kläger zumutbar.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte u.a. geltend, die Verwertung der Lebensversicherung bedeute für ihn eine besondere Härte.

Durch Widerspruchsbescheid vom 24.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Rückkaufwert der Lebensversicherung i.H.v. 27.906,64 EUR zum 02.02.2009 übersteige den Freibetrag von insgesamt 24.750,00 EUR, der sich aus einem Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.H.v. 9.000,00 EUR (60 x 150,00 EUR), einem Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i.H.v. 15.000,00 EUR (60 x 200,00 EUR) und einem Freibetrag nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 SGB II i.H.v. 750,00 EUR zusammensetze. Da das Vermögen des Klägers den Freibetrag um mindestens 3.156,64 EUR übersteige und die Verwertung der Lebensversicherung keine besondere Härte darstelle, bestehe kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Am 31.03.2009 beantragte der Kläger erneut di...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge