Entscheidungsstichwort (Thema)

Große Witwenrente. Berechnung. Rückausgleich nach Versorgungsausgleichsrecht. Bestand zugunsten von Hinterbliebenen

 

Orientierungssatz

Aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte, dem systematischen Zusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelungen sowohl des VAHRG als auch - nachfolgend - des VersAusglG folgt, dass ein zu Lebzeiten des Ausgleichspflichtigen abgeschlossener Rückausgleich bzw eine "Anpassung" nach § 4 VAHRG auch zugunsten der Hinterbliebenen Bestand hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.04.2014; Aktenzeichen B 13 R 25/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10.06.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor in der Hauptsache klarstellend wie folgt gefasst wird: Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 30.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2010 verurteilt, der Klägerin ab dem 01.02.2010 große Witwenrente unter Berücksichtigung weiterer 7.9169 persönlicher Entgeltpunkte zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des zweiten Rechtszuges zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe einer großen Witwenrente.

Die 1949 geborene Klägerin war vom 10.9.1995 bis zu dessen Tod am 1.1.2010 mit dem bei der Beklagten versicherten T (im Folgenden: Versicherter) verheiratet.

Zuvor war der Versicherte von 1962 bis 1989 mit der am 00.00.1998 verstorbenen T T verheiratet. Die Ehe wurde 1990 geschieden (Urteil des Amtsgerichts O vom 21.8.1990). Zugleich wurden im Wege des Versorgungsausgleichs zu Lasten des Versicherten Rentenanwartschaften in Höhe von 303,90 DM (= 7,9169 persönliche Entgeltpunkte (pEP)) auf das Rentenkonto der erste Ehefrau bei der Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund übertragen.

Nachdem der Versicherte einen Antrag auf Altersrente gestellt hatte, teilte die DRV Bund der Beklagten mit, dass die erste Ehefrau des Versicherten keine Rente bezogen hat; aus den übertragenen Rentenanwartschaften sei lediglich eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Wert von etwa DM 7.300 gewährt worden. Die Beklagte bewilligte dem Versicherten ab dem 1.12.2006 zunächst Regelaltersrente unter Berücksichtigung von (22.6654 - 7,9169 =) 14,7485 pEP (Bescheid vom 1.2.2007), teilte aber bereits mit, dass ihm die Rente nach § 4 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) ab dem 1.10.2007 ohne Minderung um die im Rahmen des Versorgungsausgleichs übertragenen Rentenanwartschaften zustehe. Entsprechend bewilligte sie ihm ab dem 1.10.2007 Regelaltersrente unter Zugrundelegung der vollen 22,6654 pEP (Bescheid vom 13.8.2007).

Nach dem Tod des Versicherten zahlte der Postenrentendienst der Klägerin einen Vorschuss auf die Witwenrente der ersten drei Kalendermonate in Höhe von EUR 1.849,50 (dreifacher Monatsbetrag der zuletzt dem Versicherten ohne Minderung durch den Versorgungsausgleich gezahlten Rente, vgl § 67 Nr 6 SGB VI). Auf den Antrag der Klägerin, die nach dem Tod des Versicherten nicht wieder geheiratet hatte, bewilligte die Beklagte große Witwenrente ab dem 1.2.2010 in Höhe von monatlich EUR 401,18 unter Berücksichtigung von (22.6661 - 7,9169 =) 14,7492 pEP und forderte die Klägerin auf, den gezahlten Vorschuss anteilig in Höhe von 746,49 EUR zu erstatten. Zwar sei der Versorgungsausgleich bei der Berechnung der Rente des Versicherten nach § 4 VAHRG nicht mehr berücksichtigt worden. Das VAHRG sei jedoch seit dem 1.9.2009 durch das Gesetz über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG) ersetzt worden, das nach §§ 37, 38 ein eigenes Antragsrecht auf Nichtberücksichtigung des Versorgungsausgleichs für Hinterbliebene nicht vorsehe. Daher müsse der durchgeführte Versorgungsausgleich berücksichtigt werden (Bescheid vom 30.4.2010).

Zur Begründung ihres Widerspruchs führte die Klägerin aus, sie habe keinen eigenen Antrag auf Nichtberücksichtigung des Versorgungsausgleichs stellen müssen, da ein solcher Antrag bereits vom Versicherten selbst gestellt worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil bei einer Hinterbliebenenrente im Anschluss an eine nach § 4 VAHRG/§ 37 VersAusglG ungeminderte Versichertenrente kein Besitzschutz bestehe. Der Versorgungsausgleich sei im Rahmen der Rentengewährung des Versicherten nach § 4 VAHRG nicht rückgängig gemacht, sondern lediglich ausgesetzt worden. Die Voraussetzungen des § 37 Abs 1 S 1 VersAusglG müssten daher bei jedem Anspruch neu geprüft werden. Dafür bedürfe es eines Antrags, den nur die ausgleichspflichtige Person selbst stellen könne (Widerspruchsbescheid vom 23.9.2010).

Mit ihrer am 18.10.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, durch § 4 VAHRG sei der Versorgungsausgleich nicht lediglich im Verhältnis zum Versicherten ausgesetzt gewesen. Es sei vielmehr eine endgültige Bescheidung erfolgt. Da der Versicherte Rente ohne eine Minderung durch den Versorgungsausgleich erhalten habe, stehe auch der Witwe eine Hinterbliebe...

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