Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenversicherungspflichtiges Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis. Ghettoarbeit. Ghetto Kaunas -Zahlbarmachung von Ghettorente. Entgeltlichkeit. gute Verpflegung. zusätzliche Lebensmittel

 

Orientierungssatz

1. Zur Glaubhaftmachung einer Beschäftigung im Ghetto Kaunas von Januar 1942 bis September 1943 nach Maßgabe des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2002, 2074).

2. Auch unter der Berücksichtigung der allgemeinen Bedingungen nationalsozialistischer Gewaltherrschaft ist an der Glaubhaftmachung des Bezugs eines Entgeltes, welches sich nicht nur in einer "guten Verpflegung" erschöpfen darf, festzuhalten (vgl BSG vom 7.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R = BSGE 93, 214 = SozR 4-5050 § 15 Nr 1 und BSG vom 20.7.2005 - B 13 RJ 37/04 R = rv 2005, 150).

3. Der Senat folgt nicht der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R = SozR 4-5075 § 1 Nr 3, wonach auch der Erhalt von Lebensmitteln, die kaum den notwendigen Lebensbedarf gedeckt haben können, als Entgelt iS des ZRBG ausreicht.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 03.04.2006 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung nach den Vorschriften des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG), hier unter Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten von Januar 1942 bis September 1943 im Ghetto Kaunas.

Der ... 1932 in K (K, Litauen, damals Reichskommissariat Ostland) geborene Kläger ist jüdischen Glaubens und anerkannt Verfolgter im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Seit 1947 lebt er in Israel und besitzt die israelische Staatsbürgerschaft.

Mit Feststellungsbescheid vom 18.10.1956 stellte das Regierungsbezirksamt Koblenz fest, dass der Kläger Verfolgter im Sinne des § 1 BEG ist und gewährte ihm eine Entschädigung für Schaden an Freiheit für die Zeit von August 1941 bis Mai 1945 infolge des Aufenthalts im Ghetto Kaunas und in den Konzentrationslagern (KZ) Dachau, Landsberg, Auschwitz, Mauthausen und Gunskirchen.

Der Feststellung lagen der Antrag des Klägers von Februar 1954 und weitere Erklärungen des Klägers sowie dreier Zeugen zugrunde, deren Entschädigungsakten die Entschädigungsbehörde ebenfalls beigezogen hatte.

In seinem Antrag von Februar 1954 hatte der Kläger angegeben, er sei von Juli 1941 bis 1944 im Ghetto Kaunas und anschließend im Jahr 1944 bis 1945 im Zwangsarbeitslager (ZAL) Landsberg und den KZ Dachau, Auschwitz, Mauthausen und Gunskirchen gewesen. Der Internationale Suchdienst Arolsen bestätigte der Entschädigungsbehörde im November 1954, dass der Kläger 1938 seinen ständigen Wohnsitz in Kaunas gehabt habe und am 15.07.1944 vom KZ Kaunas aus kommend in das KZ Dachau eingeliefert worden sei; im Oktober 1969 wurde die Auskunft darum ergänzt, dass die dem Kläger zugeteilte Häftlingsnummer um den 01.08.1944 (Transport von RSHA Kaunas) ausgegeben worden sei.

In einer Erklärung vom 09.10.1955 hatte der Kläger angegeben, er habe vor dem Kriege mit seinen Eltern in Kaunas gewohnt. Im August 1941 sei er mit seinen Eltern in das Ghetto Kaunas gekommen. Er habe die Verpflegung durch den Judenrat bekommen. Zeitweise habe er im roten Block gewohnt und bei einer 12-Stundenleistung beim Ausfertigen von Munitionsschachteln in einer Werkstätte gearbeitet, wohin er unter Bewachung täglich 3 km zu Fuß geführt worden sei. Im Juli 1944 sei er in das ZAL Landsberg gekommen. Diese Angaben wiederholte der Kläger in Erklärungen vom 14.03.1958 und 04.03.1959.

Der Zeuge S G hatte in einer eidlichen Erklärung vom 09.10.1955 bestätigt, er sei mit dem Kläger, den er schon vor dem Krieg aus Kaunas gekannt habe, im Sommer 1941 in das Ghetto Kaunas gekommen. Sie hätten Verpflegung durch den Judenrat bekommen. Der Kläger habe zeitweise im roten Block gewohnt. Sie hätten zusammen in einer Werkstätte beim Ausfertigen von Munitionsschachteln gearbeitet. Im Sommer 1943 hätten sich ihre Wege getrennt. In seinem eigenen Entschädigungsverfahren hatte der Zeugen einen Aufenthalt im Ghetto Kaunas von Juli 1941 bis Sommer 1943 angegeben.

Der Zeuge M O hatte in einer eidlichen Erklärung vom 28.12.1955 mitgeteilt, er sei mit dem Kläger im August 1941 in das Ghetto Kaunas eingewiesen worden, wo sie sich kennen gelernt hätten. Sie hätten Verpflegung durch den Judenrat erhalten. Der Kläger habe zeitweise im roten Block gewohnt und in einer Werkstätte beim Ausfertigen von Munitionsschachteln gearbeitet, wohin er täglich unter Bewachung geführt worden sei. Im Sommer 1944 hätten sich ihre Wege getrennt. In seinem eigenen Entschädigungsverfahren hatte der Zeuge einen Aufenthalt im Ghetto Kaunas von Juli 1941 bis Sommer 1944 angegeben.

Der Zeuge J K hatte in einer Erklärung vom 12.03.1959 angegeben, er habe den Kläger und dessen Eltern schon vor Beginn der Verfolgungen gut aus...

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