Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.08.2022; Aktenzeichen B 9 SB 9/22 B)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 17.12.2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlich Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1963 geborene Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung in Höhe von 50.

Mit Bescheid vom 14.01.1991 stellte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) in Höhe von 30, mit Bescheid vom 10.11.1994 dann einen GdB von 40 fest, wobei sie vom Vorliegen einer Zuckerkrankheit mit einem Einzel-GdB von 40 und umbildenden Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 ausging. Ein im Jahr 2014 von der Klägerin gestellter Änderungsantrag blieb erfolglos.

Am 19.09.2016 stellte die Klägerin erneut einen Änderungsantrag. Der Beklagte holte Befundberichte der Diabetologin H und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. R ein und ließ die beigezogenen medizinischen Unterlagen und die von der Klägerin vorgelegten Auszüge aus deren Diabetes-Tagebuch durch Dr. T auswerten. Dieser bewertete den Gesamt-GdB der Klägerin weiterhin mit 40 und berücksichtigte dabei die Zuckerkrankheit mit einem Einzel-GdB von 40 und umbildende Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10.

Mit Bescheid vom 07.12.2016 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Feststellung eines höheren GdB ab.

Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid unter Vorlage einer Bescheinigung der Diabetologin H Widerspruch. Sie trug vor, Dr. T habe den bei ihr bestehenden Diabetes mellitus Typ I unzureichend bewertet. Es bestehe bei ihr auch eine Hypoangststörung. Aufgrund dieser Störung habe sie eher höhere Blutzuckerwerte. Es seien aber auch weiterhin Unterzuckerungen vorhanden. Sie messe den Blutzucker 8 bis 10 mal am Tag, da der Stoffwechsel labil sei. Sie zeige eine erhöhte Neigung zu Hypoglykämien.

Nach Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. U wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2017 zurück.

Zur Begründung ihrer hiergegen am 19.05.2017 Klage erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, der bei ihr bestehende Diabetes mellitus sei mit einem Einzel-GdB von 40 unzureichend bewertet. Es bestünden erhebliche Einschnitte, die sie gravierend in der Lebensführung beeinträchtigen würden. Sie erleide aufgrund des Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 07.12.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2017 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, für sie ab dem 19.09.2016 einen GdB in Höhe von 50 festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat vorgetragen, es lasse sich nicht feststellen, dass für die Klägerin aufgrund des Diabetes mellitus gravierende Beeinträchtigungen der Lebensführung, wie z.B. infolge klinisch relevanter Unterzuckerungen ein Fremdhilfebedarf, bestehen würde. Auch besondere Erschwernisse bei der Durchführung der Insulintherapie könnten nicht festgestellt werden.

Auf Veranlassung des Sozialgerichts (SG) hat die Fachärztin für Innere Medizin, Gastroenterologie und Diabetologie Dr. D aufgrund einer Untersuchung der Klägerin ein Gutachten vom 10.10.2017 erstellt. Die Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, dass der bei der Klägerin bestehende Diabetes mellitus Typ I mit ausgeprägter Neigung zu Unterzuckerungen und Wahrnehmungsstörungen derselben einherginge und dadurch bedingt Angstzustände mit Angst vor Unterzuckerungen und fremd- und autoaggressives Verhalten bestehe. Hierdurch sei die Teilnahme der Klägerin am Leben der Gesellschaft deutlich beeinträchtigt in Form von Konzentrationsstörungen und eine Gefährdung bei der Arbeit und im Straßenverkehr durch nicht früh genug erkannte Unterzuckerungen bei Hypowahrnehmungsstörungen. Diese instabile Stoffwechsellage zwinge die Klägerin häufiger als sonst bei intensivierter Therapie Blutzuckermessungen durchzuführen und die Blutzuckerwerte zu korrigieren. Sie leide deshalb unter Einschnitten in der Lebensführung z.B. bei der Gestaltung und der Planung des Tagesablaufs sowie der Freizeit. Es bestehe ein Bedarf von Fremdhilfe von ca. vier Mal im Quartal. Sie halte den Grad der Behinderung für höher als der Beklagte aufgrund der extrem schwankenden Werte, die nicht vorhersehbar seien und das Leben der Patientin erheblich beeinträchtigten und zu Wahrnehmungsstörungen der Unterzuckerung mit fremdaggressivem und autoaggressivem Verhalten führten.

Nach Vorlage einer Stellungnahme der beratenden Ärztin Dr. U durch den Beklagten und Beiziehung weiterer Blutzuckerdokumentation der Klägerin für Zeit vom 30.07.2017 bis zum 09.10.2017 durch das SG hat Dr. D eine ergänzende Stellungnahme vom 03.09.2018 zu ihrem Gutachten vorgelegt. Sie hat darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin durchgeführten nächtlichen Messungen über einen anzunehmenden insulinpflichtigen "Diabetes Nor...

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