Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsgrenze. eigene Ermittlungen des Grundsicherungsträgers. räumlicher Vergleichsmaßstab. soziales Umfeld. Kostensenkungsverfahren. Zumutbarkeit eines Umzugs. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Für die Bestimmung der angemessenen Wohnfläche gem § 22 SGB 2 ist auf die landesrechtlichen Regelungen zur Vergabe von Wohnungsberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen abzustellen (vgl LSG Darmstadt vom 12.3.2007 - L 19 AS 260/06 und vom 5.12.2007 - L 6 AS 234/07 AS, LSG Berlin-Potsdam vom 20.11.2007 - L 14 B 1650/07 AS ER und vom 17.9.2008 - L 34 B 1650/08 AS ER). In dem Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum WoBindG (VV-WoBindG)" vom 8.3.2002 in der geänderten Fassung vom 21.9.2006, ist für das Land Nordrhein-Westfalen bestimmt, dass in der Regel für einen Zweipersonenhaushalt zwei Wohnräume oder 60 qm Wohnfläche iS von § 27 Abs 4 WoFG angemessen sind.
2. Angemessen sind Aufwendungen für eine Unterkunft nach § 22 SGB 2 nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Sie muss hinsichtlich der Kriterien, die als Mietpreis bildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen in dem räumlichen Bezirk liegen, der den Vergleichsmaßstab bildet (vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 10/06 R = BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2 und B 7b AS 18/06 R = BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3). Räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Arbeitsuchenden, der im Hinblick auf dessen Größe durchaus unterschiedlich sein kann (vgl BSG vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R).
3. Zur Bestimmung des räumlichen Vergleichsmaßstabes kann es geboten sein, Gebiete einer größeren Stadt in mehrere kleinere Vergleichsgebiete, die keine selbständige Einheit bilden, zu unterteilen (vgl BSG vom 7.11.2006, aaO). Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass grundsätzlich das Gebiet der Kommune in deren kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen den räumlichen Vergleichsmaßstab für die Ermittlung des angemessenen abstrakten Quadratmeterpreises bildet, sofern nicht in ländlichen Räumen das Gebiet mehrerer Kommunen zusammengefasst werden muss, um einen sachgerechten Vergleichsmaßstab zu finden.
4. Aus dem Gesichtspunkt der Aufrechterhaltung des sozialen Umfeldes eines Arbeitsuchenden lässt sich nicht ableiten, dass in einer Großstadt der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab kleiner als das gesamte Stadtgebiet gefasst werden muss. Die Einbindung eines Arbeitsuchenden in sein soziales Umfeld wird dadurch gewahrt, dass ihm ein Umzug in einen anderen Wohnort nicht zugemutet wird. Der Begriff des sozialen Umfeldes bezieht sich nur auf den konkreten Wohnort/Gemeinde und nicht auf das aktuell bewohnte Stadtviertel innerhalb des Wohnortes. Besonderheiten im Einzelfall können bei der Bestimmung des zumutbaren Wohnbereiches im Rahmen der konkreten Angemessenheitsprüfung berücksichtigt werden. Bezüglich des sozialen Umfeldes kann unter Umständen der zumutbare Wohnbereich enger zu begrenzen sein als das Gebiet, das im Hinblick auf die Mietpreishöhe als Vergleichsmaßstab herangezogen wird (vgl BSG vom 18.6.2008, aaO).
5. Unter Zugrundelegung des Stadtgebiets von Essen als räumlicher Vergleichsmaßstab ist bei einem Zweipersonenhaushalt die Festlegung eines Quadratmeterpreises von 4,71 EUR angemessen iS von § 22 Abs 1 S 1 SGB 2.
6. Zur Feststellung der Beschaffenheit des örtlichen Mietwohnungsmarktes muss der Grundsicherungsträger nicht zwingend auf einen qualifizierten oder einfachen Mietspiegel iS der §§ 558c und 558d BGB abstellen, soweit ein solcher in der Kommune existiert. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss lediglich auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiederzugeben (vgl BSG vom 18.6.2008, aaO).
7. Kostensenkungsbemühungen nach § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nF sind Arbeitsuchenden in der Regel zumutbar, da die Senkung der unangemessenen Unterkunftskosten zu deren Obliegenheiten gehört. Eine vom Durchschnitt abweichende besondere Belastungssituation oder besondere Umstände sind in die Zumutbarkeitsbetrachtung mit einzubeziehen.
8. Die Unzumutbarkeit eines Umzugs nach § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nF wegen einer affektiven Bindung an eine bestimmte Unterkunft nach langjähriger Nutzung unter Aufgabe des vertrauten Lebenskreises bzw des Lebensalters von Arbeitsuchenden kann in Betracht kommen, wenn in kurzer Zeit ein Ende der Hilfebedürftigkeit absehbar ist (vgl LSG Berlin-Potsdam vom 20.11.2007, aaO).
9. Ein Wohnungswechsel verletzt nicht Art 6 Abs 1 GG, wenn auch bei Umzug innerhalb des Stadtgebiets die Gemeinschaft mit den volljährigen Kindern un...