Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse
Orientierungssatz
1. Eine wesentliche Änderung der Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen im Schwerbehindertenrecht liegt dann vor, wenn geänderte gesundheitliche Verhältnisse einen um 10 höheren oder niedrigeren GdB begründen.
2. Bei einem Prostatakarzinom ist ab dem Grading G 2 ein GdB von 50 anzusetzen, wobei die Heilungsbewährung fünf Jahre beträgt.
3. Eine Zeugungsunfähigkeit im jüngeren Lebensalter bei noch bestehendem Kinderwunsch bedingt einen GdB von 20.
4. Ein Aufhebungsbescheid ist i. S. von § 33 SGB 30 hinreichend bestimmt, wenn aus ihm erkennbar ist, ab wann die Aufhebungsentscheidung gelten soll.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.06.2017 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 30.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 18.06.2015 wird für den Zeitraum 30.04.2015 bis 07.05.2015 vollständig und entsprechend dem Anerkenntnis der Beklagten vom 12.11.2018 für die Zeit ab dem 08.05.2015 insoweit aufgehoben, als der GdB auf weniger als 30 herabgesetzt wird. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu einem Viertel. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 20.
Der am 00.00.1959 geborene Kläger ist Jurist und bei einer Berufsgenossenschaft beschäftigt. Im März 2009 wurde bei ihm ein Prostatakarzinom im Stadium pT2c pNX M0 L0 G2 mittels radikaler Prostatektomie mit Nervenerhalt operativ behandelt. Eine Chemo- oder Strahlentherapie war nicht erforderlich. Rezidive sind nicht aufgetreten. Mit Bescheid vom 27.05.2009 stellte die Beklagte einen GdB von 50 fest.
Im Rahmen eines 2014 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens holte die Beklagte Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L, der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F sowie des Urologen Dr. T ein und zog einen Reha-Entlassungsbericht der DRV-KBS bei. Der Kläger trug unter Vorlage u.a. von Attesten von Dr. T und Dr. L vor, er leide an einer erektilen Dysfunktion, Zeugungsunfähigkeit und einer mittelschweren Depression mit Indikation zur psychotherapeutischen Behandlung. Sowohl die erektile Dysfunktion, als auch die Zeugungsunfähigkeit seien mit einem GdB von 20 zu bewerten und verstärkten sich gegenseitig. Hinzu kämen die psychischen Probleme, die mit einem GdB von 40 zu bewerten seien. Insgesamt sei weiterhin eine Schwerbehinderung anzunehmen. Er wies ergänzend hin auf Urteile des Sozialgerichts Düsseldorf (23.08.1999 - S 31 SB 405/98), des Landessozialgerichts NRW (05.01.2011 - L 6 (7) SB 135/06) und des Bundessozialgerichts (22.04.1959 - 11/9 RV 232/57). Für die Beklagte bewerteten die Ärzte Dr. B, Dr. V, T1 und Dr. C den GdB mit 20. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 20.08.2014, 01.12.2014 und 05.02.2015 zu einer Herabsetzung des GdB für die Zukunft auf 20 an.
Mit Bescheid vom 30.04.2015 hob die Beklagte den Bescheid vom 27.05.2009 teilweise auf und stellte den GdB wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse mit 20 fest. Der Bescheid ging dem Kläger nach seinen Angaben am 07.05.2015 zu. Der Kläger legte am 13.05.2015 Widerspruch ein, den die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2015 zurückwies.
Am 16.07.2015 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Er hat u.a. ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F vorgelegt.
Für die Beklagte hat sich Dr. B geäußert und den GdB weiter mit 20 bewertet.
Das Sozialgericht hat Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. L, der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F sowie des Urologen Dr. T beigezogen und von Amts wegen ein Sachverständigengutachten des Arztes für Innere Medizin, Sozialmedizin Dipl.-Psych. T aufgrund ambulanter Untersuchung eingeholt. Dipl.-Psych. T hat den Verlust der Vorsteherdrüse nach Ablauf der Heilungsbewährung, erektile Dysfunktion, Hormonmangelerscheinungen mit einem Einzel-GdB von 20 und ein seelisches Leiden, eine schlafbezogene Atemregulationsstörung, einen Bluthochdruck und ein Schilddrüsenleiden mit Einzel-GdB von jeweils 10, den GdB insgesamt mit 20 bewertet.
Der Kläger hat u.a. eingewandt, er sei nicht ausreichend von Dipl.-Psych. T befragt worden, es fehle eine eindeutige psychiatrische Diagnose und die Zuordnung des GdB sei nicht überzeugend. Einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wolle er nicht stellen.
Das Sozialgericht hat die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 28.06.2017 abgewiesen. Mit Ablauf der Heilungsbewährung sei eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Die ere...