Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.07.2023; Aktenzeichen B 5 R 9/23 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2021 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine große Witwerrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Der am 00.00.0000 geborene, ledige Kläger lebte jedenfalls seit 2016 bis zu deren Tod am 00.00.0000 mit der am 00.00.0000 geborenen, ebenfalls ledigen S. L. (Versicherte) sowie außerdem mit beider am 00.00.0000 geborenen Sohn an derselben Meldeadresse. Seit dem Tod lebt der Kläger mit beider Sohn dort zusammen, dem die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2018 Halbwaisenrente ab 01.07.2018 gewährte.

Am 11.07.2018 und erneut am 16.11.2018 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung großer Witwerrente (wegen Erziehung eines minderjährigen Kindes). Er fügte eine Abschrift der Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 15.07.2010 und eine Geburtsurkunde des Sohnes bei. Mit Bescheid vom 22.11.2018 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Voraussetzung für eine Witwerrente sei unter anderem, dass zum Zeitpunkt des Todes eine rechtsgültige Ehe bestanden habe. Diese Voraussetzung sei zwischen dem Kläger und der Versicherten nicht erfüllt.

Am 17.12.2018 erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, er erziehe ein minderjähriges Kind der verstorbenen Versicherten. Er beziehe sich auf Art. 6 Abs. 1, 4 und 5 Grundgesetz (GG) und auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 02.05.2012 - 1 BvL 20/09. Die Familie sei eine sog. Bedarfsgemeinschaft gewesen und bis zum Todeszeitpunkt der Versicherten intakt. Es habe eine langjährige Heiratsabsicht gegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2019 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft habe keine gültige Ehe bestanden. Der Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft sei damit mit dem Tod des Versicherten kein Witwer und habe keinen Anspruch auf Witwerrente. Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft habe keine rechtliche Auswirkung auf einen Anspruch nach § 46 SGB VI.

Dagegen hat der Kläger am 28.01.2019 mit der ergänzenden Begründung vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben, aus dem Beschluss des BVerfG vom 09.11.2004 - 1 BvR 684/98 - ergebe sich, dass es mit dem GG unvereinbar sei, dass der überlebende Lebensgefährte einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft, der nach dem gewaltsamen Tod des anderen Lebensgefährten die Betreuung des gemeinsamen Kindes übernehme, nicht in den Kreis der Versorgungsberechtigten nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) einbezogen werde, was deshalb zu geschehen habe. Dies müsse für ihn als Witwerrentenbewerber in der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso gelten. Ihm sei entweder große Witwerrente oder Erziehungsrente zu gewähren. Andernfalls sei er in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art 6 Abs. 1 bzw. Abs. 5 GG verletzt. Im Fall einer Eheschließung sei unabhängig vom Weiterbestehen der Ehe bis zum Tod des Versicherten stets eine finanzielle Absicherung für den Hinterbliebenen im Fall der Kindererziehung gegeben. Dass hingegen Hinterbliebene einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die die Betreuung eines Kindes übernähmen, keine Rentenleistung erhielten, sei verfassungswidrig.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2019 zu verurteilen, ihm ab 01.07.2018 große Witwerrente zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf die angefochtenen Bescheide bezogen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15.06.2021 abgewiesen. Insbesondere liege keine Grundrechtsverletzung vor. Art. 6 Abs. 1 GG, der - auch - die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stelle, sei nicht dadurch verletzt, dass nach Maßgabe von § 46 SGB VI eine Hinterbliebenenversorgung für Witwen und Witwer bestehe, nicht hingegen für überlebende Lebensgefährten einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Diese Verfassungsnorm verstehe unter Ehe ausschließlich die Vereinigung zweier nach Maßgabe der entsprechenden Institutsgarantie des GG kraft wirksamer Eheschließung zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft. Der Begriff der Ehe könne nicht in dem Sinne erweiternd ausgelegt werden, dass er auch eheähnliche Lebensgemeinschaften umfasse. Dies gelte ebenso für eheähnliche Lebensgemeinschaften mit gemeinsamen Kindern. Durch die gemäß § 46 SGB VI geregelte Begrenzung von Renten wegen Todes auf Witwen und Witwer werde ferner Art. 6 Abs. 1 GG nicht verletzt, soweit es den durch diese Verfassungsnorm gebotenen Schutz der Familie betreffe. Hierzu gehöre zwar auch eine Absicherung der Familie im Falle des Todes eines Elternteils. Dabei müsse ...

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