Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Petö-Therapie. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft in Form von Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten bzw Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Abgrenzung zur medizinischen Rehabilitation
Orientierungssatz
1. Für die Abgrenzung von Leistungen zur sozialen Teilhabe zu Leistungen zur medizinischen Rehabilitation ist der Leistungszweck entscheidend (vgl BSG vom 28.8.2018 - B 8 SO 5/17 R = ZFSH/SGB 2019, 87 und vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R = SozR 4-3500 § 54 Nr 6).
2. Maßgebend ist demnach, ob die Therapie direkt an der Behandlung der behinderungsbedingten Störung ansetzt oder unmittelbar die sozialen Folgen der Behinderung beseitigen bzw mildern soll.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.04.2019 geändert. Der Bescheid vom 26.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2018 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Eingliederungshilfe in Form der Kostenübernahme für die Konduktive Förderung nach Petö für die Blocktherapie vom 26.03.2018 bis zum 13.04.2018 zu bewilligen.
Der Beklagte hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Übernahem von Kosten (1.995,63 EUR) für eine konduktive Therapie nach Petö (im Folgenden: Petö-Therapie) für eine blockweise durchgeführte Therapie in der Zeit vom 26.03.2018 bis zum 13.04.2018 im Zentrum für konduktive Therapie, P.
Die am 00.00.2005 geborene Klägerin leidet seit ihrer Geburt an einer bilateralen rechtsbetonten spastischen Tetraparese (unvollständige Lähmung aller vier Extremitäten), einer Dysarthie (Sprachstörung), einer Intelligenzminderung bei Schizenzephalie (Fehlbildung des Gehirns) sowie Epilepsie. Bei ihr sind ein GdB von 100 sowie die Merkzeichen G, aG und H sowie der Pflegegrad 5 festgestellt. Die Klägerin besuchte 2018 die 7. Klasse der K Schule (Förderschule mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung) in Krefeld. Sie bezog während des streitbefangenen Leistungszeitraums in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer alleinerziehenden Mutter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Anrechnung von Erwerbseinkommen der Mutter (Bewilligungsbescheid des Jobcenters S vom 27.07.2017). Die Mutter ist allein sorgeberechtigt für die Klägerin.
Die Klägerin nimmt seit 2015 an Petö-Blocktherapien im Zentrum für konduktive Therapie in P teil. Teilweise wurde die Finanzierung vom Beklagten übernommen. Zuletzt vor dem streitigen Zeitraum nahm die Klägerin vom 23.10.2017 bis zum 10.11.2017 an einer entsprechenden Blocktherapie teil. Die Übernahme dieser Kosten lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25.10.2017 ebenfalls ab.
Die jetzt streitige Leistung beantragte die Klägerin unter Beifügung eines Kostenvoranschlags des Beigeladenen über 1995,63 EUR am 08.02.2018. Sie fügte u.a. den Bericht über die vom 23.10.2017 bis zum 10.11.2017 durchgeführte konduktive Therapie, einen Arztbrief des F Krankenhauses Oberhausen (FKO) vom 07.11.2017, eine Stellungnahme des jugendärztlichen Dienstes des Gesundheitsamtes des Beklagten mit Empfehlung der Durchführung der Petö-Therapie zweimal jährlich für die nächsten drei Jahre, eine befürwortende Stellungnahme des Leiters der K Schule vom 06.09.2017 und einen Bericht dieser Schule über die Auswirkungen der Petö-Therapie auf ihre Schulfähigkeit bei.
Mit Bescheid vom 26.02.2018 lehnte der Beklagte die Kostenübernahme ab. Es handele sich bei der begehrten Leistung um eine Leistung der medizinischen Rehabilitation, die positiven Auswirkungen der Therapie auf kognitive Fähigkeiten und persönliche Motivation stünden dieser Zuordnung nicht entgegen. Damit sei eine Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger ausgeschlossen.
Am 03.03.2018 erhob die Klägerin Widerspruch. Parallel dazu beantragte sie bei dem Sozialgericht Düsseldorf, den Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zur Übernahme der Kosten zu verpflichten (S 22 SO 87/18 ER). Mit rechtskräftigem Beschluss vom 21.03.2018 verpflichtete das Sozialgericht den Beklagten, die Kosten für die Petö-Therapie vom 26.03.2018 bis zum 13.04.2018 vorläufig zu übernehmen. Mit Ausführungsbescheid vom 28.03.2018 übernahm der Beklagte vorläufig die Kosten, die Rechnung ist bezahlt. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2018 (zugestellt am 20.07.2018) wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen richtet sich die am 20.08.2018 erhobene Klage. Die Klägerin hat eine ärztliche Bescheinigung der Kinder- und Jugendmedizinerin A vom 20.08.2018 vorgelegt, wonach die Petö-Blocktherapie ihre Selbständigkeit verbessere und sich auf ihre motorischen und sprachlichen Fähigkeiten deutlich positiv auswirke.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.02.2018 in Form des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2018 zu verurteilen, ihr Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII in Form de...