Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Unterkunft und Heizung. Heizkostennachforderung. Abgrenzung von Bedarf und Schulden. Stromkostennachforderung. abweichende Regelsatzfestsetzung bzw ergänzendes Darlehen. Schuldenübernahme nach § 36 Abs 1 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
Zur Abgrenzung von Schulden und laufendem Bedarf bei Energiekostennachforderungen in der Sozialhilfe.
Orientierungssatz
1. Aus Energielieferungen in der Vergangenheit resultierende Verbindlichkeiten eines Hilfesuchenden sind nicht zwangsläufig Schulden im sozialhilferechtlichen Sinn, welche unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 SGB 12 vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. Schulden liegen dann vor, wenn es sich um Verpflichtungen handelt, die bereits vor Eintritt der Bedürftigkeit begründet worden sind. Sie können auch dadurch entstehen, dass der Leistungsempfänger bewilligte Leistungen nicht zweckentsprechend verwendet und Zahlungen an den Energielieferanten nicht erbringt.
2. Das Bestehen eines einmaligen Bedarfs kann den Sozialhilfeträger zu zuschussweisen Leistungen nach § 35 Abs. 4 SGB 12 verpflichten.
3. Ob und in welchem Umfang eine Heiz- oder Betriebskostennachforderung als Bedarf anzuerkennen ist, richtet sich nicht nach dem Monat, in dem sie fällig geworden ist, sondern nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen desjenigen Zeitraums, in dem die Kosten verursacht wurden.
4. Beruht eine Stromkostenforderung darauf, dass der Sozialhilfeempfänger ernsthafte Forderungen des Energielieferanten in Zeiten fehlender Bedürftigkeit in der Vergangenheit nicht nachgekommen ist, so ist sowohl eine Regelsatzerhöhung als auch eine Darlehensgewährung nach § 37 Abs. 1 SGB 12 ausgeschlossen.
5. Eine Übernahme von Heiz- und Stromkostenschulden kommt nach § 36 Abs. 1 SGB 12 nur dann in Betracht, wenn wegen der konkreten Energiekostenschulden die Einstellung der Gas- oder Stromlieferung droht.
Normenkette
SGB XII § 35 Abs. 4 S. 1, Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 27a Abs. 4 S. 1, Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Fassung: 2006-12-02, § 36 Abs. 1 S. 1, § 37 Abs. 1, § 18 Abs. 1, § 21 S. 1, § 30 Abs. 7 S. 1; SGB II § 7 Abs. 4 S. 1; RBEG § 5 Abs. 1-2; BGB § 366 Abs. 2; SGG § 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 4
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.07.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme einer Gas- und Stromkostenforderung aus Februar 2011 betreffend den Verbrauchszeitraum vom 20.12.2009 bis zum 20.12.2010.
Der am 00.00.1948 geborene Kläger lebte bis Ende März 2011 gemeinsam mit seiner inzwischen von ihm geschiedenen Ehefrau unter der Anschrift T-straße 00 in I in einer 59 m² großen Wohnung. Die Wohnung verfügt über eine Gasetagenheizung dergestalt, dass jede Wohnung mit einer gesonderten Gastherme ausgestattet ist. Die Warmwasserbereitung erfolgt über diese Heizungsanlage. Die Kosten der Unterkunft betrugen seit dem 01.05.2010 monatlich 386,00 Euro (306,00 Euro Kaltmiete zzgl. 80,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung).
Mit der Stadtwerke I AG hatte der Kläger einen Grundversorgungsvertrag über die Belieferung der Wohnung mit Strom und Gas geschlossen. Hierfür waren nach § 13 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Stadtwerke I AG für die Grundversorgung von Haushaltskunden mit Strom bzw. Erdgas monatliche Abschlagszahlungen zu leisten. Diese betrugen nach den Festsetzungen der Stadtwerke I AG bis Anfang Januar 2010 76,- Euro für Gas und 56,- Euro für Strom. In der Abrechnung vom 22.01.2010 (Bl. 322 der VA) für den Verbrauchszeitraum vom 21.12.2008 bis zum 19.12.2009 setzten die Stadtwerke vom 15.02.2010 (Fälligkeit des ersten Abschlags nach der Abrechnung) bis zum 03.01.2011 (Fälligkeit des letzten Abschlags) monatliche Abschläge in Höhe von 63,- Euro für Gas und in Höhe von 57,- Euro für Strom fest. Wegen der in dieser Abrechnung ebenfalls festgesetzten Nachzahlung für den Zeitraum von Ende Dezember 2008 bis Ende Dezember 2009 führte der Kläger ein mittlerweile rechtskräftig abgeschlossenes Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen. Wegen der insoweit auf die Ehefrau des Klägers entfallenden Nachforderung ist ein Berufungsverfahren unter dem Az. L 7 AS 1785/11 anhängig.
Der Kläger und seine Ehefrau bezahlten bereits seit 2007 nicht die von den Stadtwerken I geforderten Vorauszahlungen, weil sie Einwände gegen die Preisgestaltung des Energieversorgers geltend machten. Ihre monatlichen Zahlungen gingen, soweit sie erfolgten, nie über 100,- Euro hinaus, wobei 57,- Euro auf die Gasversorgung entfielen. Die Stadtwerke I rechnete die überwiesenen Zahlungen stets auf die ältesten offenen Verbindlichkeiten an.
Die frühere Ehefrau bezog während des Zusammenlebens mit dem Kläger Arbeitslosengeld II von der ARGE I. Bis zum 31.01.2011 betrugen die der früheren Ehefrau bewilligten Leistungen insge...