Entscheidungsstichwort (Thema)

Entziehung der Zulassung des Vertragsarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung wegen systematischer Falschabrechnung

 

Orientierungssatz

1. Einem Vertragsarzt ist nach § 95 Abs. 6 S. 1 SGB 5 die Zulassung u. a. dann zu entziehen, wenn er seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt.

2. Wiederholt unkorrekte Abrechnungen rechtfertigen die Zulassungsentziehung. Das gilt erst recht dann, wenn der Arzt falsche Abrechnungen über mehrere Jahre und Quartale getätigt hat. Das Abrechnungs- und Honorierungssystem der vertragsärztlichen Versorgung baut auf dem Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben der Leistungserbringer auf und stellt ein Fundament des Systems der vertragsärztlichen Versorgung dar ( BSG Urteil vom 17. 10. 2012. B 6 KA 49/11 R).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.09.2018; Aktenzeichen B 6 KA 22/18 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 14.11.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch im zweiten Rechtszug die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 7).

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Entziehung der Zulassung des Klägers zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung wegen mehrjähriger systematischer Falschabrechnung.

Der am 00.00.1957 geborene Kläger wurde im April 1995 als Facharzt für Urologie in D zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt u.a. über die Genehmigung zur sonographischen Untersuchung der Uro-Genitalorgane.

Im März 2010 informierte ein beim Kläger nach einer Blasenkrebsoperation in Nachbehandlung befindlicher Patient seine Krankenkasse darüber, dass der Kläger bei ihm (Sonographie-)Leistungen abgerechnet habe, die nicht erbracht worden seien. Die Krankenkasse benachrichtigte die Beigeladene zu 7) hierüber, die den Kläger um Stellungnahme zu dem Vorwurf bat. Der Kläger behauptete, sich an den Patienten, den er ab Mai 2005 über vier Jahre lang behandelt und bei dem er fast jedes Quartal eine Sonographie abgerechnet hatte, nicht erinnern zu können. Auf Nachfrage der Beigeladenen zu 7) reichte der Kläger die Patientendokumentation sowie gefertigte Sonographien zu den Akten. Alle übersandten Aufnahmen enthielten entgegen den Vorgaben des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM; 33. Kapitel - Ultraschalluntersuchung - Nr. 3 der Präambel) keine automatisch "eingedruckten" Patientendaten, sondern lediglich handschriftliche Vermerke. Dies veranlasste die Beigeladene zu 7) vom Kläger weitere 162 Bilddokumentationen betreffend neun andere Patienten, bei denen in den Jahren 2006 bis 2011 (ebenfalls) die Gebührenordnungsposition (GOP) 33043 EBM - Uro-Genital-Sonographie - abgerechnet worden war, sowie 55 weitere Dokumentationen von anderen Patienten aus dem Quartal IV/2009 anzufordern. Die Prüfung der Unterlagen durch die Sonographie-Kommission der Beigeladenen zu 7) führte zum Ergebnis, dass die Abrechnung der GOP 33043 EBM in keinem einzigen Fall gerechtfertigt war. So fehlte bis zur Anschaffung eines neuen Sonographiegeräts im März 2010 nicht nur stets der automatische "Eindruck" der Patientendaten, sondern es waren auch in keinem Fall die zu dokumentierenden Organe zu erkennen. Mit diesen Fakten konfrontiert erklärte der Kläger, nur tatsächlich durchgeführte Sonographien abgerechnet zu haben. Die fehlende Abbildung der abgerechneten Organe führte er auf die schlechte Qualität seines alten Sonographiegeräts zurück. Soweit er nach den vorgelegten Aufnahmen drei unterschiedliche Patienten binnen 17 Sekunden sonographiert habe und weitere ebenfalls binnen Sekunden oder weniger Minuten, sei u.U. die Zeiterfassung am Gerät defekt gewesen.

Erst in einem Telefonat vom 21.11.2011 gestand der Kläger der Beigeladenen zu 7), Bilddokumentationen mit handschriftlichen Einträgen übersandt zu haben, die nicht von den Patienten stammten, deren Name er handschriftlich darauf vermerkt habe. Die Praxis-EDV habe ihm bei einigen Krankenkassen die Abrechnung bestimmter Leistungsketten vorgeschlagen. In Einzelfällen könne er nicht ausschließen, dass erforderliche Korrekturen dieser vorgeschlagenen Abrechnungsketten nicht erfolgt seien. Insgesamt gehe er davon aus, die abgerechneten Sonographien zu 90% erbracht zu haben.

Die Beigeladene zu 7) hat daraufhin Anfang Januar 2012 den Sachverhalt an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Dieser gegenüber erklärte der Kläger, in den Quartalen IV/2007 bis III/2008 rund 90% der abgerechneten Leistungen tatsächlich erbracht zu haben, vom Quartal IV/2008 bis zum Quartal III/2010 seien es dann noch zumindest 70% der abgerechneten Leistungen gewesen und ab dem Quartal IV/2010 wieder alle abgerechneten Leistungen. Diese Angaben widersprachen den Ermittlungsergebnissen der Staatsanwaltschaft für das Quartal IV/2009, nach denen der Kläger nur 20% der abgerechneten Sonographien tatsächlich durchgeführt hatte. Da es bezüglich des möglichen Strafmaßes nicht wesentlich auf die exakte Zahl falsch abgerechneter Fälle j...

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