Entscheidungsstichwort (Thema)

Widerrufbarkeit einer Klagerücknahme

 

Orientierungssatz

Eine unstreitig ausgesprochene und in der Sitzungsniederschrift dokumentierte Erklärung der Klagerücknahme ist grundsätzlich nicht widerrufbar.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Fortsetzung des Verfahrens S 16 Ar 208/94 SG Duisburg.

In jenem Verfahren wandte sich der Kläger gegen den Bescheid vom 01.12.1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.02.1991, mit dem die Beklagte den Antrag auf Erlass einer durch bestandskräftigen Bescheid vom 23.10.1985 festgestellten Forderung in Höhe von 63.463,99 DM abgelehnt hatte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.11.1995 erklärte der Kläger ausweislich der Sitzungsniederschrift: "Ich nehme die Klage zurück". Anschließend beantragte er, die Forderung bis 1998 zu stunden. Die Beklagte entsprach daraufhin durch Bescheid vom 29.02.1996 dem Antrag auf Stundung bis zum 31.01.1997. Mit Bescheid vom 14.03.1997 lehnte sie den Antrag auf Erlass der Forderung vom 13.01.1997 zwar ab, stundete aber die Forderung ratenfrei bis 01.02.1998.

Der Kläger begehrte mit Schreiben vom 14.04.1997 die Fortführung des Verfahrens S 16 Ar 208/94. Er war der Auffassung, dass die Beklagte die im Verhandlungstermin am 08.11.1995 getroffene Vereinbarung, die zur Klagerücknahme geführt habe, nicht eingehalten habe, da sie zwischenzeitlich auf seinem Immobilienanteil eine Zwangshypothek habe eintragen lassen.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

das Verfahren S 16 Ar 208/94 fortzusetzen und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.12.1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27.02.1991 zu verpflichten, ihm die Rückzahlung der mit Bescheid vom 23.10.1985 festgestellten Forderung zu erlassen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit durch Klagerücknahme am 08.11.1995 beendet worden ist.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 30.05.2000 die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen ausgeführt, die Erklärung der Klagerücknahme sei als Prozesshandlung nicht anfechtbar. Sie sei auch nicht widerrufbar, weil die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens (§§ 578 ff. Zivilprozessordnung -- ZPO --) nicht erfüllt seien. Der Kläger habe in der Verhandlung am 08.11.1995 ohne weitere Stundungszusage zunächst die Klage zurückgenommen und sodann den Antrag auf Stundung der Forderung bis zum Jahre 1998 gestellt.

Gegen den am 02.06.00 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 28.06.00 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt zu deren Begründung vor, er hätte bei Kenntnis der von der Beklagten zwischenzeitlich durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme (Zwangshypothek auf seinem Anteil des Wohnhauses) das Verfahren seinerzeit nicht durch Klagerücknahme beendet. Er sei insoweit getäuscht worden.

Der Kläger ist aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 19.10.2000 erschienen.

Er beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 30.05.2000 zu ändern und nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakten der Beklagten -- Az: ... Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat in Abwesenheit des Klägers entscheiden können, weil er sein Fernbleiben aus Krankheitsgründen mitgeteilt und deswegen mit Schriftsatz vom 22.09.00 ua eine Verhandlung unter Verzicht auf seine persönliche Teilnahme angeregt hat.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs 2 SGG).

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die von dem Kläger benannten Zeugen für die Richtigkeit seiner Behauptung, die Beklagte habe im Verhandlungstermin am 08.11.1995 zugesagt, jegliche Zwangsvollstreckungsmaßnahme bis 1998 zu unterlassen, mangels Erheblichkeit der in ihr Wissen gestellten Behauptungen nicht zu vernehmen sind. Es kommt auf ihre Aussage nicht an, weil die unstreitig ausgesprochene und in der Sitzungsniederschrift dokumentierte Erklärung der Klagerücknahme grundsätzlich nicht widerrufbar ist (vgl. Zeihe, SGG, 7. Aufl., Stand 01.04.1999, § 102 Rn 3b; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 56. Aufl., § 269 Rn 24).

Selbst wenn man der Auffassung folgte, die Erklärung sei unter den Voraussetzungen der Wiederaufnahme eines Verfahrens (§§ 581, 579, 580 ZPO) widerrufbar (vgl. BSG SozR 1500 § 102 Nr 2; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl., § 102 Rn 7c mwN), sind diese vorliegend nicht erfüllt. § 579 Abs 1 Nrn 1 bis 4 ZPO (Nichtigkeitsklage) ist offensichtlich nicht einschlägig, ...

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