Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. fortdauernde Arbeitsunfähigkeit. abschnittsweise Bewilligung. eigenständige Prüfung jedes Bewilligungsabschnitts, ob Arbeitsunfähigkeit erneut oder weitern ärztlich festgestellt wurde. Feststellung von Arbeitsunfähigkeit auf Dauer durch Sozialmedizinischen Dienst. keine weitere ärztliche Feststellung durch Vertragsarzt mehr erforderlich

 

Orientierungssatz

1. Bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit, aber - wie hier - abschnittsweise erfolgter Krankengeldbewilligung ist jeder Bewilligungsabschnitt eigenständig daraufhin zu prüfen, ob die Arbeitsunfähigkeit erneut oder weiterhin ärztlich festgestellt wurde. Dies hat auch zur Folge, dass es nach befristeter Arbeitsunfähigkeitsfeststellung für die Entstehung eines weiteren Anspruchs auf Krankengeld grundsätzlich einer erneuten ärztlichen Feststellung bedarf.

2. Erklärungen und Feststellung eines Sozialmedizinischen Dienstes zur Arbeitsunfähigkeit eines Versicherten genügen als ärztliche Feststellung iSv § 46 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB 5. Kommt eine Prüfung nach § 275 Abs 1 Nr 3 SGB 5 zu dem Ergebnis, dass der Versicherte auf Dauer arbeitsunfähig ist, bedarf es weiterer ärztlicher Feststellungen der Arbeitsunfähigkeit durch einen Vertragsarzt von vornherein nicht mehr.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 30.11.2016 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 21.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.06.2016 verurteilt, der Klägerin Krankengeld für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 19.04.2016 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für den Zeitraum vom 01.04.2016 bis zum 19.04.2016.

Die 1962 geborene Klägerin ist seit 12.05.1996 bei der Arbeiterwohlfahrt X e.V. im X-Seniorenzentrum als Altenpflegerin beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Nach einer von der Beklagten eingeholten Arbeitgeberauskunft wurde sie durch ihren Arbeitsplatz körperlich schwer (z.B. durch Arbeiten wie Tragen von ca. 20-40 kg schweren Lasten in der Ebene) belastet.

Seit dem 10.02.2015 war die Klägerin wegen Beschwerden im Bereich der rechten oberen Extremität und persistierende Beschwerden im rechten Handgelenk nicht mehr in der Lage, ihre Tätigkeit als Altenpflegerin weiter auszuüben. Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung ihres Arbeitgebers erhielt sie von der Beklagten Krankengeld i.H.v. 52,22 Euro brutto und - nach Abzug von Beiträgen zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung - i.H.v. 45,95 Euro netto pro Tag. Eine Kündigung ihres Beschäftigungsverhältnisses erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 31.03.2015 übersandte die Beklagte der Klägerin das "Merkblatt mit den wichtigsten Informationen rund um das Krankengeld (Stand April 2014)" und bat sie u.a. darum,

" ...

- die weitere Arbeitsunfähigkeit auf der Bescheinigung für die Krankengeldzahlung von ihrem behandelnden Arzt/Facharzt, dem Krankenhaus oder der Rehabilitationseinrichtung bestätigen zu lassen und wieder bei uns im Original einzureichen."

In dem Merkblatt hieß es u.a.:

" IV. Wie wird das Krankengeld gezahlt?

Das Krankengeld wird für jeden Kalendertag gezahlt. Wird es für einen ganzen Monat gezahlt, werden immer 30 Tage angesetzt. Das Krankengeld wird ihnen nachträglich gezahlt.

Jede Feststellung ihrer (weiteren) Arbeitsunfähigkeit wird mit einer neuen Bescheinigung für die Krankengeldzahlung dokumentiert.

Die Bescheinigung für die Krankengeldzahlung muss spätestens sieben Tage nach ärztlicher Feststellung bei uns sein. Bei verspätetem Eingang ruht der Anspruch auf Krankengeld."

Mit der "Bescheinigung für die Krankengeldzahlung" (sog. Auszahlschein) war dabei das Muster 17 im Sinne der Anlage 2 ("Vereinbarung über Vordrucke in der vertragsärztlichen Versorgung") des von der kassenärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband geschlossenen Bundesmantelvertrag - Ärzte gemeint.

Unter Verwendung dieses Musters bescheinigte der behandelnde Arzt der Klägerin, der Praktische Arzt K, der Klägerin Arbeitsunfähigkeit zunächst durchgehend bis zum 30.09.2015.

Die Beklagte ließ die Klägerin nach Aufnahme der Krankengeldzahlung mehrfach durch ihren sozialmedizinischen Dienst (SMD) im Knappschaftskrankenhaus Recklinghausen "im Rahmen des § 275 SGB V" begutachten. Die Ärzte des SMD kamen dabei jeweils nach persönlicher Untersuchung zu dem Ergebnis, dass die Klägerin ihre zuletzt verrichtete Tätigkeit nicht wieder ausüben könne. Nachdem die Ärzte des SMD am 29.04.2015, am 06.05.2015, am 26.05.2015, am 24.06.2015, am 10.08.2015 und am 01.09.2015 jeweils eine Wiedervorstellung und Wiederholungsbegutachtung angeordnet hatten, kam Frau Kämpfer vom SMD am 23.09.2015 wiederum nach persönlicher Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, dass ein Dauerzustand vorliege und keine Wiederholungsbeg...

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