Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Rücknahme einer Klage durch Rücknahmefiktion wegen Nichtbetreibens
Orientierungssatz
1. Die Aufforderung zum Betreiben des sozialgerichtlichen Verfahrens bedarf zu ihrer Wirksamkeit lediglich der Unterschrift des Vorsitzenden Richters bzw. des Berichterstatters, nicht aber die Unterschriften des gesamten Spruchkollegiums.
2. Auch wenn im sozialgerichtlichen Verfahren die Begründung einer Berufung nicht notwendig geboten ist, kann das Gericht jedenfalls dann vom Wegfall eines Rechtsschutzinteresses ausgehen, wenn der Berufungskläger zunächst eine Begründung angekündigt hatte, dann aber trotz wiederholter Aufforderung durch das Gericht unter Fristsetzung kein weiterer Vortrag erfolgte.
3. Die durch eine Betreibensaufforderung durch das Gericht ausgelöste Fiktion einer Klagerücknahme kann auch noch im Berufungsverfahren eintreten.
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Verfahren L 2 AS 2035/16 durch Rücknahme der Klage beendet ist.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der Rechtsstreit durch Rücknahmefiktion in der Berufungsinstanz beendet worden ist.
In dem zu Grunde liegenden Verfahren wandten sich die Kläger gegen Aufhebung- und Erstattungsbescheide (Bescheide vom 17.04.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2013), mit denen die zuvor erfolgte Bewilligung von Arbeitslosengeld II im Zeitraum vom 01.06.2012 bis 30.09.2012 vollumfänglich wegen der Erzielung von Einkünften aus selbständiger Tätigkeit aufgehoben worden war. Die dagegen gerichtete Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 19.07.2016 abgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger am 30.09.2016 Berufung (Az. L 2 AS 2035/16) eingelegt und eine Begründung derselben nebst Antragstellung binnen eines Monats angekündigt. Mit Verfügung vom 19.10.2016 sind die Kläger vom Senat aufgefordert worden, die Berufung binnen einer Frist von vier Wochen zu begründen. Mit Verfügung vom 28.11.2016 wurde an die Begründung der Berufung erinnert. Mit weiterer Verfügung vom 16.01.2017 wurden die Kläger unter Hinweis auf die noch nicht vorliegende Berufungsbegründung aufgefordert, das Verfahren zu betreiben. Weiterhin erfolgte der Hinweis, dass gemäß § 102 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) die Klage als zurückgenommen gilt, wenn das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate ab Zugang der Aufforderung nicht betrieben wird. Die Verfügung vom 16.01.2017 ist vom Richter mit vollem Nachnamen unterzeichnet worden. Die Betreibensaufforderung ist den Klägern am 25.01.2017 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis vom gleichen Tag).
Nachdem eine Reaktion der Kläger nicht erfolgte, hat der Senat mit Verfügung vom 26.04.2017 das Verfahren als durch Rücknahme der Klage beendet ausgetragen.
Dagegen wenden sich die Kläger. Sie sind der Auffassung, das Verfahren sei nicht durch die Fiktion einer Klagerücknahme beendet worden; die Berufung sei mithin weiterhin anhängig. Bereits die Aufforderung sei nicht formwirksam ergangen, so dass schon keine wirksame Fristsetzung vorliege. Es hätte ein Beschluss ergehen müssen, der vom Senat in seiner gesamten Besetzung zu unterzeichnen gewesen wäre. Im Übrigen sehe die Verfahrensordnung nicht zwingend eine Begründung des Rechtsmittels vor. Aus dem erstinstanzlichen Vorbringen könne im Übrigen geschlossen werden, weshalb sich die Kläger durch die angefochtenen Bescheide beschwert fühlten.
Der Senat hat das Verfahren unter Vergabe eines neuen Aktenzeichens fortgesetzt.
Nach Lage der Akten beantragen die Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19.07.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 17.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.2013 aufzuheben.
Der Beklagte hat im Berufungsverfahren keinen Verfahrensantrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).
Eine Sachentscheidung darüber, ob die angefochtenen Verwaltungsakte des Beklagten rechtmäßig sind oder die Kläger in ihren Rechten verletzen, konnte nicht ergehen, weil das Gerichtsverfahren durch Klagerücknahme beendet ist.
Von den Klägern ist zwar eine Klagerücknahme nicht erklärt worden, die von ihnen erhobene Klage gilt aber als zurückgenommen. Gemäß § 102 Abs. 2 S. 1 SGG gilt die Klage als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibt. Mit der Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens ist der Kläger auf die Folgen des Nichtbetreibens einer Klage hinzuweisen (§ 102 Abs. 2 S. 3 SGG). Die Voraussetzungen dafür, dass die von den Klägern hier erhobene Klage als zurückge...