Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe bei Krankheit. Absicherung im Krankheitsfall durch die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB). Übernahme ungedeckter Kosten durch den Sozialhilfeträger. Nachrang der Sozialhilfe. keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung gem § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5. keine Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Krankenversicherung nach § 193 Abs 3 S 1 VVG 2008

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschriften über den Nachrang der Sozialhilfe stellen regelmäßig keine eigenständigen Ausschlussnormen dar, sondern lassen lediglich im Zusammenhang mit ergänzenden bzw konkretisierenden Vorschriften des BSHG bzw des SGB 12 die Bedürftigkeit verneinen (vgl BSG vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R).

2. Die Absicherung im Krankheitsfall durch die Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB) gehört zu den Sondersystemen, die, solange sie eine Absicherung im Krankheitsfall bieten, der Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 entgegenstehen (vgl BSG vom 12.1.2011 - B 12 KR 11/09 R = BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13).

3. Steht die Absicherung durch die KVB als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall einer Pflichtversicherung iS des § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5 entgegen, spricht bereits dieser Umstand gegen eine - dann gleichsam subsidiär - eintretende Versicherungspflicht gem § 193 Abs 3 S 1 VVG 2008.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Änderung des Urteils des Sozialgerichts Köln vom 21.07.2010 sowie Aufhebung des Bescheides vom 14.04.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom Juli 2009 verurteilt, der Klägerin ab 16.03.2009 Leistungen der Krankenbehandlung (§ 48 SGB XII) zu erbringen, soweit diese nicht durch die Leistungen der KVB gedeckt sind. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Übernahme ungedeckter Arzt- und Medikamentenkosten aus Mitteln der Sozialhilfe.

Die 1923 geborene Klägerin ist seit Jahren stationär im Altenheim St. L L untergebracht. Sie ist pflegebedürftig (Pflegestufe III). Ihr Prozessbevollmächtigter wurde vom Amtsgericht T mit Beschluss vom 17.01.2003 für den Aufgabenkreis Gesundheitsvorsorge, Vermögens- und sonstige finanzielle Angelegenheiten, Prüfung von Regressansprüchen gegen die Vorbetreuerin zum Betreuer bestellt. Der Beschluss sieht eine gerichtliche sowie außergerichtliche Vertretung der Klägerin im Rahmen des genannten Aufgabenkreises vor.

Die Klägerin verfügt über eine Altersrente sowie eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Stand 01.07.2009: 127,94 EUR und 291,63 EUR) sowie Versorgungsbezüge in Höhe von 802,25 EUR (Stand August 2010).

Die Klägerin bezieht von dem Beklagten seit dem 01.04.2009 Hilfe zur Pflege gemäß § 61 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) (Bescheid vom 24.04.2009). Aufgrund des einzusetzenden Einkommens wurden Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 35 SGB XII abgelehnt.

Die Klägerin erhält als Witwe eines Bundesbahnbeamten Leistungen der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten (KVB). Die KVB ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und eine betriebliche Sozialeinrichtung des Bundeseisenbahnvermögens (BEV). Sie gewährt ihren Mitgliedern Leistungen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen sowie bei Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten. Das BEV ist Rechtsnachfolger der Deutschen Bahn (DB). Die KVB erfüllt als betriebliche Sozialeinrichtung im Auftrage des BEV gegenüber Beamten, die bis zum 31.12.1993 nach Maßgabe der Satzung einen Fürsorgeanspruch gegenüber der DB hatten und beim BEV selbst eingesetzt oder gemäß Eisenbahnneuordnungsgesetz der DB AG zugewiesen sind, sowie gegenüber den Versorgungsberechtigten aus diesem Personenkreis Fürsorgepflichten, die dem BEV nach § 79 Bundesbeamtengesetz (BBG) oder aus anderen Rechtsgründen obliegen.

Die KVB zahlt Zuschüsse zu Krankheitsaufwendungen gemäß dem KVB-Tarif. Eine Vollversicherung bietet die KVB nicht an. Ebenso wenig wird eine Basisversicherung im Sinne von § 12 Abs. 1a Versicherungsaufsichtsgesetz (VA) angeboten. Über eine Restkosten- bzw. ergänzende Krankenversicherung verfügt die Klägerin nicht.

Mit Antrag vom 16.03.2009 beantragte sie die Übernahme von Arzt- und Medikamentenkosten, die durch Leistungen der KVB nicht abgedeckt seien. Es bestehe eine Unterdeckung von 20 %. Um künftig die Kosten in voller Höhe begleichen zu können, werde um Übernahme des Differenzbetrages, der sich aus den jeweils einzureichenden Erstattungsbescheiden ergebe, beantragt. Beispielhaft legte die Klägerin eine Erstattungsmitteilung zu Pflegeleistungen vom 16.01.2009 vor.

Mit Bescheid vom 24.04.2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Krankenhilfe in Form der Übernahme ungedeckter Krankenversicherungsleistungen unter Verweis auf § 2 Abs. 1 SGB XII ab. Die Klägerin sei gemäß § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen, und zwar im Umfang des nicht (durch die KVB) besteh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?