Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücküberweisung von für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf dessen Konto überwiesenen Rentenleistungen durch das Geldinstitut bei durchgehend im Soll befindlichem Konto und Gewährung eines Dispositionskredits. Beginn der Verjährung. Rückzahlungspflicht. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Der gegen das Geldinstitut gerichtete Rücküberweisungsanspruch aus § 118 Abs 3 S 2 SGB 6 ist gegenüber dem Erstattungsanspruch gegen Dritte nach Abs 4 S 1 vorrangig. Dies ergibt sich aus dem Schutzzweck der Regelung, nämlich dem besonderen Interesse des Versicherungsträgers als Sachwalter der Mittel, die ihm seine Beitragszahler zur Finanzierung der Geldleistungen zur Verfügung gestellt haben. Dieser Schutzzweck begrenzt zugleich die Anwendbarkeit der Norm des § 118 Abs 4 S 1 SGB 6. Sie soll nur einen der fehlgeschlagenen Rentenzahlung zuzuordnenden Geldzufluss vom Geldinstitut zu einem Dritten rückabwickeln. Von einem ausreichenden Bezug der zu Lasten des Kontos getätigten Verfügungen kann nach den Regelungen des Gesetzes selbst nur dann ausgegangen werden, wenn hierdurch ein vorhandenes Guthaben unter einen dem Wert der Geldleistung oder Gutschrift entsprechenden Betrag gesenkt wurde und das Konto bei Eingang der Rückforderung des Rentenversicherungsträgers kein ausreichendes Guthaben aufweist, um die Rücküberweisung zu finanzieren (Anschluss an BSG vom 13.12.2005 - B 4 RA 28/05 R = SozR 4-2600 § 118 Nr 2).
2. Aus § 118 Abs 3 S 4 SGB 6 folgt, dass das Geldinstitut den überwiesenen Betrag nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwenden darf. Damit gibt es keinen Grund, die Bank bei Überweisung der Rente auf ein im Soll befindliches Girokonto besser zu stellen, als bei Überweisung auf ein im Haben befindliches (vgl LSG Essen vom 28.4.2006 - L 13 R 207/05).
3. § 55 Abs 1 S 1 SGB 1 ist bei nach dem Tode des Berechtigten überzahlten Renten auf Grund des § 118 Abs 3 SGB 6 nicht anwendbar.
4. Die dem Geldinstitut mit § 118 Abs 3 SGB 6 auferlegte Rückzahlungspflicht verstößt nicht gegen das GG.
5. Zur Festlegung des Beginns der Verjährung nach § 45 Abs 1 SGB 1.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird hinsichtlich der anzuwendenden Verjährungsvorschrift zugelassen.
Der Streitwert wird auf 518,87 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag i.H.v. 518,87 Euro zu erstatten hat, der ihr nach dem Tode des Rentenbeziehers G K auf dessen Konto bei der Beklagten überwiesen worden war.
Der ... 2001 verstorbene G. K. bezog von der Klägerin Altersrente i.H.v. zuletzt 1.014,82 DM (entspricht 518,87 Euro) monatlich. Die Rente wurde in dieser Höhe auch nach dem Tod von G. K. für den Monat Februar 2001 auf sein Girokonto bei der Beklagten überwiesen. Unmittelbar vor der Rentengutschrift für Februar 2001, die am 31.01.2001 erfolgte, befand sich das Konto des Rentenempfängers mit 1.047,52 DM im Soll. Bei Eingang der Rentenrückforderung bezüglich der Überzahlung für den Monat Februar 2001 am 07.05.2001 befand sich das Konto mit 1.048,75 DM im Soll.
Mit Schreiben vom 22.05.2001 lehnte die Beklagte die Forderung der Klägerin vom 07.02.2001 auf Rücküberweisung der überzahlten Rente ab, weil seit der Gutschrift des Rentenbetrags u. a. hierüber wie folgt verfügt worden sei:
- am 31.01.2001 durch Dauerauftrag i.H.v. 662,50 DM (entspricht 338,73 Euro) zu Gunsten des Vermieters R J,
- am 02.02.2001 durch Geldautomaten-Verfügung i.H.v. 105,00 DM (entspricht 53,69 Euro);
- am gleichen Tag durch Rückruf i.H.v. 373,56 DM (entspricht 191,00 Euro) zu Gunsten der Stadt R.
Danach versuchte die Klägerin vergeblich, die Empfänger der überzahlten Geldleistungen bzw. die Verfügenden über das Girokonto des Rentenempfängers in Anspruch zu nehmen und forderte anschließend mit Bescheid vom 26.05.2005 von der Beklagten die Rückzahlung der nach dem Todestag überzahlten Rente. Diesen Bescheid nahm sie unter dem 12.07.2005 nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) zurück.
Die Klägerin hat am 19.09.2005 Klage auf Rückzahlung der überzahlten Altersrente für den Monat Februar 2001 i.H.v. insgesamt 518,87 Euro erhoben.
Das Sozialgericht (SG) Köln hat mit Urteil vom 14.12.2005 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 518,87 Euro zu zahlen. Es hat ausgeführt, der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus der § 118 Abs. 3 SGB VI. Auf den Einwand der Entreicherung könne sich die Beklagte nicht berufen, weil das Konto des Rentenempfängers sowohl zum Zeitpunkt der Rentenüberzahlung als auch zum Zeitpunkt der erstmaligen Rückforderung durch die Klägerin sich in einem Soll befunden habe. Das SG hat sich insoweit ausdrücklich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) angeschlossen, wie sie insbesondere in Urteilen vom 08.06.2004 (B 4 RA ...