Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Ehegatte eines Landwirts. rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht. verspätete Antragstellung. Drei-Monats-Frist. Fristablauf. Eheschließung. Rechtsänderung. Verfassungsmäßigkeit. Gesamtschuldnerische Haftung. Allgemeine Handlungsfreiheit. Rechtsstaatsprinzip. Grundsatz der formellen Publizität. Übergangsregelung. Gleichheitssatz
Orientierungssatz
Gegen die Neufassung des § 3 Abs 2 S 4 ALG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - SGB4ÄndG 3 vom 5.8.2010 (BGBl I 2010, 1127) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt sie nicht gegen die Grundrechte aus Art 3 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG).
Normenkette
ALG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 Sätze 1, 3, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, §§ 22, 34 Abs. 2 S. 3, § 70 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2, § 94 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 4.9.2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die gesamtschuldnerische Haftung des Klägers als Landwirt für Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro für die Zeit vom 9.7.2010 bis 20.10.2011 zur Alterssicherung der Landwirte (AdL) für die Beigeladene, seine Ehefrau.
Der am 00.00.1975 geborene klagende Landwirt, dessen Versicherungspflicht als Landwirt mit Bescheid vom 31.5.2002 festgestellt worden war, heiratete am 9.7.2010 die Beigeladene. Die Beigeladene erzielte im Streitzeitraum aus ihrer bei der Bundesagentur für Arbeit seit dem 23.10.2003 ausgeübten abhängigen Beschäftigung ein Arbeitsentgelt in Höhe von mehr als 4.800,00 Euro jährlich bzw. mehr als 400,00 Euro monatlich.
Im Verlaufe eines Telefongesprächs am 21.10.2011 erfuhr die Beklagte erstmals von der Eheschließung der Beigeladenen und wies diese auf die hieraus folgende Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung hin. Daraufhin beantragte die Beigeladene am 21.10.2011 die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Erzielung außerlandwirtschaftlichen Einkommens. Mit Bescheid vom 22.11.2011 befreite die Beklagte die Beigeladene ab dem 21.10.2011 von der Versicherungspflicht. Mit weiterem Bescheid vom 22.11.2011 stellte sie die Versicherungs- und Beitragspflicht für die Zeit vom 9.7.2010 bis zum 20.10.2011 fest und forderte Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro.
Hiergegen richtete sich der am 12.12.2011 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch der Beigeladenen, mit dem sie die Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab dem 9.7.2010 begehrte. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.1.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag auf Befreiung hätte innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung bzw. spätestens bis zum 30.11.2010 gestellt werden müssen, um bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen vom Beginn der Versicherungspflicht an befreit zu werden. Auf eine Kenntnis hiervon komme es nicht an. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts - SG - Aachen vom 16.7.2012, S 6 LW 9/12; Urteil des Senats vom 20.12.2012, L 8 LW 9/12).
Nachdem die Beklagte die Beigeladene erfolglos zur Beitragszahlung aufgefordert hatte, nahm sie mit Bescheid vom 8.12.2011 den Kläger unter Hinweis auf seine gesamtschuldnerische Haftung ebenfalls auf Zahlung der Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro in Anspruch. Hiergegen richtete sich der am 21.12.2011 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch des Klägers, mit dem er auf das parallel laufende Widerspruchsverfahren der Beigeladenen hinwies. Mit Widerspruchsbescheid vom 8.3.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Sie führte zur Begründung aus, die Beigeladene sei seit dem 9.7.2010 gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) Landwirtin im Sinne dieses Gesetzes. Da sie ihrer Verpflichtung zur Beitragszahlung nicht nachgekommen sei, sei er - der Kläger - im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung in Anspruch genommen worden. Diese ergebe sich aus § 70 Abs. 1 Satz 2 ALG, da beide - Kläger und Beigeladene - Landwirte seien. Der Kläger sei Landwirt gem. § 1 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 ALG und damit für die Beitragsrückstände der Beigeladenen haftbar.
Mit seiner am 12.4.2012 zum SG Aachen erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er hat auf die Pflichtversicherung der Beigeladenen in der allgemeinen Rentenversicherung wegen einer von ihr ausgeübten außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung verwiesen. Eine doppelte Versicherung entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt,
den Bescheid vom 8.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.3.2012 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rech...