Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Ehegatte eines Landwirts. rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht. verspätete Antragstellung. Drei-Monats-Frist. Fristablauf. Eheschließung. Rechtsänderung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Gegen die Neufassung des § 3 Abs 2 S 4 ALG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze - SGB4ÄndG 3 vom 5.8.2010 (BGBl I 2010, 1127) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere verstößt sie nicht gegen die Grundrechte aus Art 3 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 16.7.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Befreiung von der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Alterssicherung der Landwirte (AdL) für den Zeitraum vom 9.7.2010 bis 20.10.2011.
Die am 00.00.1981 geborene Klägerin heiratete am 00.00.2010 den beigeladenen Landwirt J, dessen Versicherungspflicht als Landwirt mit Bescheid vom 31.5.2002 festgestellt worden war. Die Klägerin erzielte im Streitzeitraum aus ihrer bei der Bundesagentur für Arbeit seit dem 23.10.2003 ausgeübten abhängigen Beschäftigung ein Arbeitsentgelt in Höhe von mehr als 4.800,00 Euro jährlich bzw. mehr als 400,00 Euro monatlich.
Im Verlaufe eines Telefongesprächs am 21.10.2011 erfuhr die Beklagte erstmals von der Eheschließung der Klägerin und wies diese auf die hieraus folgende Versicherungs- und Beitragspflicht in der landwirtschaftlichen Alterssicherung hin. Daraufhin beantragte die Klägerin am 21.10.2011 die Befreiung von der Versicherungspflicht wegen Erzielung außerlandwirtschaftlichen Einkommens. Mit Bescheid vom 22.11.2011 befreite die Beklagte die Klägerin ab dem 21.10.2011 von der Versicherungspflicht. Mit weiterem Bescheid vom 22.11.2011 stellte sie die Versicherungs- und Beitragspflicht für die Zeit vom 9.7.2010 bis zum 20.10.2011 fest und forderte Beiträge in Höhe von 3.462,00 Euro.
Hiergegen richtete sich der am 12.12.2011 bei der Beklagten eingegangene Widerspruch der Klägerin, mit dem sie die Befreiung von der Versicherungspflicht bereits ab dem 9.7.2010 begehrte. Zur Begründung verwies sie auf ihre außerlandwirtschaftliche Erwerbstätigkeit, aus der sie mehr als 4.800,00 Euro pro Jahr erziele. Eine zweifache Versicherungspflicht zur allgemeinen Rentenversicherung und zur landwirtschaftlichen Alterssicherung könne nicht bestehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.1.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Antrag auf Befreiung hätte innerhalb von drei Monaten nach Eheschließung bzw. spätestens bis zum 30.11.2010 gestellt werden müssen, um bei Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen vom Beginn der Versicherungspflicht an befreit zu werden. Auf eine Kenntnis hiervon komme es nicht an.
Mit ihrer am 16.2.2012 zum Sozialgericht (SG) Aachen erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Sie hat auf ihre Pflichtversicherung in der allgemeinen Rentenversicherung wegen einer von ihr ausgeübten außerlandwirtschaftlichen Beschäftigung verwiesen. Eine doppelte Versicherung entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers.
Die Klägerin hat sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 zu verurteilen, sie ab dem 9.7.2010 von der Versicherungspflicht zur Beklagten zu befreien, sowie die Bescheide vom 22.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.1.2012 hinsichtlich der Beitragsforderung in Höhe von 3.462,00 EUR aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angefochtenen Bescheide weiterhin für rechtmäßig gehalten.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.7.2012 hat das SG Aachen die Klage abgewiesen. Auf dessen Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 20.7.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.8.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zufolge die Versicherungspflicht nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) auch dann nicht gegen das Grundgesetz (GG) verstoße, wenn der Ehegatte nicht im landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeite (Hinweis auf BVerfG, Beschluss v. 9.12.2003, 1 BvR 1558/99; Nichtannahmebeschluss v. 1.3.2004, 1 BvR 2099/03). Gegen die Gefahr der Übersicherung sei er dabei ausreichend durch die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 ALG geschützt. Genau dies sei falsch. Wenn Versicherte bereits nicht wüssten, dass es eine Inanspruchnahme aufgrund des ALG geben könne, sei auch kein ausreichender Schutz durch § 3 ALG gegeben. Im Übrigen habe das BVerfG zur Frage der doppelten Inanspruchnahme keinerlei Ausführungen gemacht. Diese sei verfassungswidrig. Die Grunds...