Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines gerichtlichen Vergleichs

 

Orientierungssatz

1. Bei einem Streit darüber, ob ein Verfahren durch Vergleich wirksam beendet worden ist, ist das Verfahren fortzuführen. Das Gericht entscheidet dann entweder dahin, dass die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich durch Endurteil festgestellt wird, oder, wenn es die Beendigung verneint, z. B. weil der Vergleich zu Recht angefochten worden ist, in der Sache selbst (Anschluss: BSG, Urteil vom 28. November 2002, B 7 AL 26/02 R; SozSich 2004, 143).

2. Ist ein gerichtlicher Vergleich rechtswirksam geschlossen, so kann die entsprechend protokollierte Erklärung durch eine wirksame Anfechtung nicht rückgängig gemacht werden. Macht eine Partei geltend, sie sei bei späteren Berechnungen zu einem niedrigeren Erstattungsbetrag gekommen als demjenigen, welcher Gegenstand der Einigung im Termin war, so stellt dies einen unbeachtlichen Motivirrtum dar (Vergleiche: LSG München, Urteil vom 24. September 2012, L 7 AS 432/12).

 

Normenkette

SGG § 101 Abs. 1

 

Tenor

Der Tenor des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Köln vom 28.09.2012 wird dergestalt berichtigt, dass es statt "S 37 AS 448/12" richtig heißt "S 37 AS 442/12". Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.09.2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Verfahren, in dem es um die endgültige Festsetzung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) und damit zusammenhängende Erstattungsforderungen des Beklagten für 04-09/2011 geht, erledigt ist.

Der am 00.00.1950 geborene Kläger zu 1) ist der Ehemann der am 00.00.1963 geborenen Klägerin zu 2). Der Kläger zu 1) ist seit 11/2009 selbständig als Handwerker/Hausmeister tätig. Mit Bescheid vom 15.03.2011 gewährte der Beklagte den Klägern vorläufig Leistungen nach dem SGB II für 04-09/2011. Mit Bescheiden vom 11.10.2011 setzte der Beklagte die Leistungen für diesen Zeitraum endgültig fest und forderte von den Klägern die Erstattung von jeweils 323,94 EUR. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Kläger "gegen die Bescheide: Erstattung von Leistungsanspruch vom 11.10.2011" wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 05.01.2012 "Erstattung von Leistungen" zurück.

Am 03.02.2012 haben die Kläger Klage erhoben (S 37 AS 442/12). Am 12.07.2012 hat in Anwesenheit beider Kläger ein Erörterungstermin stattgefunden. Das Sitzungsprotokoll enthält nach einem Hinweis der Kammervorsitzenden folgenden Passus:

"Ausgehend davon einigen sich die Beteiligten folgendermaßen:

1. Die Beklagte reduziert unter Abänderung der Bescheide vom 11.10.2011 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 05.01.2012 die Rückforderung auf jeweils 107,82 Euro.

2. Damit sehen die Beteiligten den Rechtsstreit als erledigt an.

Laut diktiert, vorgespielt und genehmigt."

Am 19.07.2012 haben die Kläger erklärt, aufgrund eigener Berechnungen seien lediglich 16,87 EUR zu erstatten. Gleichzeitig werde Klage wegen zu wenig gezahlter Leistungen in 2009 und 2010 erhoben. Nach Hinweis der Kammervorsitzenden auf die am 12.07.2012 eingetretene Erledigung des Verfahrens haben die Kläger am 23.07.2012 erklärt, das Verfahren sei aus ihrer Sicht noch nicht erledigt. Das Sozialgericht hat das Verfahren neu eintragen lassen (S 37 AS 2998/12 WA) und nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 28.09.2012 festgestellt, dass das Verfahren "S 37 AS 448/12" durch Vergleich am 12.07.2012 erledigt worden sei.

Die Kläger haben gegen den ihnen am 29.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 29.10.2012 Berufung eingelegt und ergänzend vorgetragen, für 04-09/2011 seien allenfalls 85,72 EUR, für 2011 insgesamt allenfalls 266,25 EUR zu erstatten. Gleichzeitig stünden ihnen für 2009 und 2010 noch über 3.000 EUR zu.

Die Kläger beantragen schriftlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 28.09.2012 abzuändern und festzustellen, dass das Verfahren S 37 AS 442/12 nicht durch Vergleich beendet ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat konnte in Abwesenheit der Kläger verhandeln und entscheiden (§ 110 Abs. 1 Satz 2, 126, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), da diese mit der ordnungsgemäßen Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind.

Der Tenor des angefochtenen Gerichtsbescheides war wegen offenbarer Unrichtigkeit von Amts wegen nach § 138 Satz 1 SGG zu berichtigen. Die Berichtigung kann auch durch das Rechtsmittelgericht erfolgen (vgl. BSG Urteil vom 14.02.1978 - 7/12 Rar 73/76 = juris Rn 31; Urteil vom 15.10.1987 - 1 RA 57/85 = juris Rn 18; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 138 Rn 4). Abweichend von § 138 Satz 2 SGG erfolgt eine solche Berichtigung im Rahmen der Entscheid...

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