Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Aufhebung einer Leistungsbewilligung wegen fehlerhafter Angaben zum Vermögen. Notwendigkeit des Erlasses eines Aufhebungsbescheides bei einer vorläufigen Leistungsbewilligung. Zulässigkeit der Umdeutung einer Aufhebungsentscheidung in eine endgültige Festsetzung
Orientierungssatz
1. Wurde eine Leistung zur Grundsicherung für Arbeitsuchende lediglich vorläufig festgesetzt, so kann sie nach Wegfall der Gründe endgültig festgesetzt werden, wobei auch eine Herabsetzung auf Null möglich ist, wenn inzwischen Gründe bekannt geworden sind, die einer Leistungsbewilligung entgegenstehen (Anschluss BSG, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 31/14 R). Eine Rücknahme der Bewilligungsentscheidung ist in diesen Fällen nicht erforderlich. Dabei kann die endgültige Festsetzung der Leistung auch inzident im Rahmen einer Aufhebungsentscheidung erfolgen und ein entsprechender Aufhebungsbescheid in eine endgültige Leistungsfestsetzung umgedeutet werden.
2. Einzelfall zur Vorwerfbarkeit fehlerhafter Angaben zum Vermögen in einem Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende als Voraussetzung der Rückforderung von Leistungen nach einer Aufhebungsentscheidung (hier: Vorwerfbarkeit fehlerhafter Angaben zu einer Kapitallebensversicherung verneint).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 12.10.2015 geändert. Der Bescheid vom 16.04.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.06.2014 wird insoweit aufgehoben, als mit diesem ein Betrag von mehr als 4.722,51 Euro von dem Kläger zurückgefordert wird. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen 4/5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung der Leistungen des Klägers nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 19776,73 Euro.
Der im Jahre 1962 geborene Kläger, von Beruf Maurer, beantragte erstmalig am 06.10.2011 Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende nach dem SGB II bei der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger in stationärer Behandlung wegen eines Schlaganfalls. Aufgrund dessen füllte die vom Kläger bevollmächtigte Tochter für ihn den Leistungsantrag aus und ließ ihn vom Kläger unterschreiben. Hierbei gab der Kläger u.a. an, dass er über eine Lebensversicherung bei der B verfüge, deren Wert sich zum 01.02.2012 auf 8807,07 Euro beliefe. Mit Bescheid vom 13.01.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers wegen vorhandenen Vermögens ab.
Am 16.01.2012 stellte der Kläger bei der Beklagten einen neuen Leistungsantrag. Die Beklagte berechnete nach Prüfung dieses Antrags die Lebensversicherung bei der B nur noch mit einem Wert in Höhe von 7307,07 Euro, da dem Kläger aus dieser Lebensversicherung aufgrund eines Überschusses 1500,- Euro ausgezahlt wurden und der Kläger diesen Betrag aufgrund eines von seiner Mutter erhaltenen Darlehens in dieser Höhe an diese zurücküberwiesen hatte.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 01.02.2012 vorläufig SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012. Die Weiterbewilligungsanträge beschied die Beklagte in der Folgezeit positiv ohne vorläufige Regelung.
Im Rahmen seines Weiterbewilligungsantrages vom 08.01.2014 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten anlässlich eines Versicherungsbeitrages an die C Lebensversicherung AG, der den Kontoauszügen des Klägers zu entnehmen war, dass er neben den bereits mitgeteilten Vermögenswerten eine weitere Kapitallebensversicherung bei der A AG abgeschlossen habe. Der Rückkaufswert dieser Versicherung ergab zum 01.02.2012 einen Betrag in Höhe von 6695,94 Euro und zum 01.02.2014 einen Betrag von 7184,30 Euro. Bei seiner Anhörung hierzu gab der Kläger an, dass ihm bei seiner Antragstellung im Februar 2012 nicht bewusst gewesen sei, dass er noch über eine Lebensversicherung bei der A AG verfügt habe. Die Versicherung habe er als Jugendlicher abgeschlossen. Sie sei ruhend gestellt gewesen und er habe keine Kontoauszüge über die Versicherung erhalten.
Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 14.03.2014 zu einer Überzahlung von Leistungen in der Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2014 an. Mit Bescheid vom 16.04.2014 nahm die Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.01.2014 in Höhe von 19776,73 Euro zurück und forderte die Erstattung dieser Leistungen. Zur Begründung führte sie an, dass der Kläger aufgrund des vorhandenen Vermögens in Form zweier Lebensversicherungen, die zusammen die gesetzlichen Freibeträge überstiegen haben, nicht hilfebedürftig und die Leistungsbewilligung daher von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger habe auch keinen Vertrauensschutz, da er zumindest grob fah...