Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenversicherung. Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag. Versäumung der Antragsfrist. Zulässigkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem § 27 SGB 10. Auslegung. Gesetzesvorbehalt. Verschulden
Orientierungssatz
1. Eine Wiedereinsetzung in die einmonatige Antragsfrist des § 28a Abs 1 S 3 SGB 3 ist gem § 27 SGB 10 möglich.
2. Eine Auslegung nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden liefert keine Anhaltspunkte, dass eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist.
Normenkette
SGB III a.F. § 28a Abs. 1 S. 3, § 434j Abs. 2; SGB X § 27 Abs. 1-2, 5; SGB I § 31
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.12.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragspflichtversicherung ab dem 25.10.2008 durchzuführen ist.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung ab dem 01.10.2008 hat.
Der Kläger ist seit dem 15.11.2007 als Leiter Produktionsentwicklung - Geschäftsfeld Getreideernte - bei der Firma D GmbH beschäftigt. Seit dem 01.10.2008 bis voraussichtlich zum 30.09.2012 ist er auf der Grundlage eines Entsendungsvertrages vom 30.09.2008 für deren Tochtergesellschaft D1 in L/Russland tätig.
Am 07.07.2009 ging bei der Beklagten ein Schreiben einer Mitarbeiterin der Firma D, der Zeugin S, vom 03.07.2009 ein. Darin wird unter Bezugnahme auf Anträge auf freiwillige Weiterversicherung des Klägers in der Arbeitslosenversicherung von Oktober und Dezember 2008 nach dem Sachstand gefragt. Beigefügt war eine vom Kläger unterzeichnete - undatierte - Vollmacht für die Firma D2 mbH, wonach dieser der Bescheid über die freiwillige Arbeitslosenversicherung direkt zugestellt werden solle. Weiterhin beigefügt waren Ablichtungen des - undatierten - Antrags auf freiwillige Weiterversicherung ab 01.10.2008, eines Schreibens der Zeugin S vom 23.10.2008 sowie eines weiteren Schreibens der Zeugin vom 19.12.2008, mit dem eine Arbeitsbescheinigung bezüglich des früheren Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei der G-Gesellschaft übermittelt wurde. Unter dem 16.07.2009 teilte die Beklagte der Firma D mit, dass "mit Schreiben vom 23.10.2008 die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung für den Kläger beantragt" worden sei. Leider seien der Antrag und das Schreiben vom 19.12.2008 mit der beigefügten Arbeitsbescheinigung nicht eingegangen. Um über den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung entscheiden zu können, wurde die Firma D gebeten, eine Kopie des Arbeitsvertrages für die Arbeitsaufnahme ab 01.10.2008 vorzulegen. Mit Schreiben vom 20.07.2009 übermittelte die Firma D den Entsendungsvertrag.
Mit Bescheid vom 30.09.2009, der dem Kläger zugestellt wurde, lehnte die Beklagte den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtige, gestellt worden. Hiergegen legte der Kläger am 26.10.2009 Widerspruch ein und ließ mit anwaltlichem Schreiben zur Begründung ausführen, der Antrag sei fristgerecht eingereicht worden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass das Schreiben der Firma D vom 23.10.2008 bei der Beklagten eingegangen sein müsse. Die Zeugin S habe in Kenntnis der Einmonatsfrist das Schreiben vom 23.10.2008 ordnungsgemäß in den Postlauf des Unternehmens gegeben. Anträge des Klägers auf Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Arbeitnehmer im Ausland und auf Auslandsversicherung seien von der Deutschen Rentenversicherung Bund und von der Maschinen- und Metall-Berufsgenossenschaft ordnungsgemäß bearbeitet worden. Der im einzelnen geschilderte Postabholungs- und Auslieferungsprozess bei der Firma D sei schematisiert und lasse keinen Raum für Fehler. Die Firma D habe sich in der Sache im Übrigen mit Schreiben vom 19.12.2008 erneut an die Beklagte gewandt. Die Zeugin S habe außerdem mit E-Mail vom 29.01.2009 nach dem Sachstand gefragt. Jedenfalls sei dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2009 (Bl. 80 VA) als unbegründet zurück. In den Gründen der Entscheidung führte sie aus, ein Antragseingang innerhalb eines Monats nach Beginn der Auslandsbeschäftigung sei nicht feststellbar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht möglich, weil es sich bei der Monatsfrist des § 28a des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handele.
Mit der am 04.01.2010 zum Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch weiterverfolgt.
Zur Begründung hat der Kläger vortragen lassen, er habe seiner Arbeitgeberin unter dem 19.09.2008 eine Zustellung...