Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Abweichung von der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl bei Wegfall des Unterkunftskostenanteils eines Mitgliedes der Bedarfsgemeinschaft durch Sanktion. Abgrenzung wiederholende Verfügung. Zweitbescheid

 

Orientierungssatz

Die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft einer Bedarfsgemeinschaft sind gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 ausnahmsweise nicht nach Kopfzahl aufzuteilen und in voller Höhe zu übernehmen, wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf der Grundlage einer bestandskräftigen Sanktion gem § 31 Abs 5 SGB 2 weggefallen ist und die Anwendung des Kopfteilprinzips zur Bedarfsunterdeckung bzw zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 1 Sätze 1, 3, § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 2-4, § 1 Abs. 1 S. 4 Nr. 4, § 2 Abs. 1 S. 1, § 7a Sätze 1-2, § 14 Abs. 1 S. 1, § 31 Abs. 5 S. 1 Fassung: 2007-10-10; SGG § 95

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 23.05.2013; Aktenzeichen B 4 AS 67/12 R)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16.08.2010 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Kläger auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe der Kosten der Unterkunft (KdU) für die Zeit vom 01.02.2009 bis zum 30.04.2009 im Streit.

Die 1960 in Russland geborene Klägerin zu 1) und ihr 1994 geborener Sohn B., der Kläger zu 2), bildeten zusammen mit dem 1987 geborenen Sohn/Bruder E. (im Folgenden: E) eine Bedarfsgemeinschaft und erhielten vom Beklagten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die KdU, die der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf insgesamt 526,50 EUR monatlich (Kaltmiete: 406,50 EUR, Heizkostenvorauszahlung: 50,00 EUR, Betriebskostenvorauszahlung: 50,00 EUR, Hausmeisterpauschale: 12,00 EUR, SAT-/Antennenpauschale: 8,00 EUR).

Durch Bescheid vom 13.10.2008 bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.11.2008 bis 30.04.2009. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte sie den Kopfanteilen der Bedarfsgemeinschaft entsprechend bei jedem Mitglied mit einem Drittel (175,50 EUR). Dem E entzog er nach vorangegangenen Sanktionen durch Bescheid vom 06.01.2009 gestützt auf § 31 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 SGB II das ihm bewilligte Arbeitslosengeld II für die Monate Februar bis April 2009 vollständig. Der Bescheid ist bestandskräftig.

Innerhalb des Bewilligungszeitraums berechnete er die Leistungen wegen anzurechnenden Einkommens der Klägerin zu 1) neu (Bescheide vom 06.01., 01.02., 18.02. und 18.03.2009). Dabei berücksichtigte er bereits die erfolgte Sanktion, indem er den auf E entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 auf 0 setzte. Einen entsprechend um ein Drittel gekürzten Betrag überwies er an den Vermieter.

Durch den angefochtenen Bescheid vom 02.04.2009 setzte der Beklagte erneut die Leistungen für die Monate Februar bis April 2009 wegen zu berücksichtigenden Einkommens der Klägerin zu 1) neu fest. Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch beanstandeten die erstmalig anwaltlich vertretenen Kläger die Höhe der KdU: Der Wegfall des bei E berücksichtigten Anteils sei rechtswidrig. Die Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft dürfe andere Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nicht beeinträchtigen. Wegen der anteiligen Reduzierung der KdU, seien bereits Mietrückstände entstanden, deren Begleichung der Vermieter angemahnt habe. Die Klägerin zu 1) halte es nicht für richtig, dass E zumutbare Arbeit ablehne, sie habe E seit Wochen nicht mehr gesehen.

Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2009 zurück. Nach neuerlicher intensiver Prüfung der Sach- und Rechtslage sei festzustellen, dass - dies führte er im Einzelnen aus - die verhängten Sanktionen wegen wiederholter Pflichtverletzungen rechtlich nicht zu beanstanden seien. Der Entzug auch der KdU sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 5 Satz 5 SGB II seien nicht erfüllt. E habe durch sein Verhalten nachhaltig dokumentiert, dass er nicht bereit sei, seine Weigerungshaltung aufzugeben und seinen Pflichten nachzukommen. Bei vollständiger Kürzung der Leistungen sei der Beklagte zur Zahlung des auf E entfallenden Anteils nicht verpflichtet.

Mit ihrer hiergegen am 09.10.2009 erhobenen Klage haben die Kläger ihr Begehren weiterverfolgt. Sie meinen, es sei unzulässig, wenn sich eine Sanktion gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft auf die anderen Mitglieder erstrecke. Dies gelte insbesondere in den Fällen, in denen jüngere Hilfebedürftige in einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern lebten und die Eltern im Außenverhältnis zum Vermieter für die Zahlung der Unterkunftskosten einzustehen hätten. Der auf den von der Sanktion Betroffenen entfallende Unterkunftskostena...

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