Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Rückforderung eines Mietkautionsdarlehens durch den Sozialhilfeträger. Zulässigkeit der Geltendmachung durch Verwaltungsakt. Verjährung der Forderung. Beginn der Verjährung. Fälligkeit der Forderung. Beendigung des Mietverhältnisses bzw Auszug aus der Wohnung. Verwirkung des Rückzahlungsanspruchs. verspätete Geltendmachung. Hinzutreten besonderer Umstände

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Verjährung und Verwirkung eines Anspruchs des Sozialhilfeträgers auf Rückzahlung eines durch Verwaltungsakt gewährten Darlehens für eine Mietkaution.

 

Orientierungssatz

1. Der Sozialhilfeträger ist befugt, ein durch Verwaltungsakt gewährtes Darlehen durch Verwaltungsakt zurückzufordern (vgl LSG Essen vom 2.7.2012 - L 20 SO 75/12).

2. Die Verjährung einer Forderung führt auch im öffentlichen Recht dazu, dass der Schuldner die Erfüllung der Forderung verweigern kann (§ 214 Abs 1 BGB analog) und die Forderung deshalb nicht mehr durchsetzbar ist. Dies hat zur Folge, dass eine verjährte Forderung nicht mehr durch Verwaltungsakt durchgesetzt werden kann und ein dennoch erlassener Forderungsbescheid rechtswidrig ist.

3. Für den Beginn der Verjährung kommt es im Ansatz darauf an, wann der Anspruch entstanden ist. "Entstanden" in diesem Sinne ist ein Anspruch dann, wenn der (klageweise) geltend gemacht werden kann. Mithin setzt der Beginn der Verjährung die Fälligkeit des Anspruchs voraus.

4. Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltend machen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen.

5. Solche, die Verwirkung auslösende "besondere Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihn durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl BSG vom 27.7.2011 - B 12 R 16/09 R = BSGE 109, 22 = SozR 4-2400 § 7 Nr 14).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.03.2013 abgeändert. Der Bescheid vom 25.10.2006 und der Widerspruchsbescheid vom 20.02.2008 werden aufgehoben.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rückforderung eines Kautionsdarlehens.

Die im Juni 1951 geborene Klägerin bezog seit Juli 1987 Sozialhilfe in Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt von der Beklagten nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Seit Geburt ihrer Tochter im September 1989 gewährte die Beklagte auch dieser Sozialhilfe.

Mit Mietvertrag vom 11.11.1996 mietete die Klägerin zum 01.12.1996 eine 67 m² große Zwei-Zimmer-Wohnung in der I-Str. 00 zu einer monatlichen Nettokaltmiete von 737,- DM in X an. Laut Mietvertrag hatte sie ihrem Vermieter eine Kaution in Höhe von zwei Monatsnettomieten, d.h. in Höhe von 1.474,- DM (= 753,64 Euro) zu leisten.

Am 13.11.1996 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Übernahme der Kaution aus den Mitteln der Sozialhilfe. Mit einer am gleichen Tag unterschriebenen Erklärung trat sie ihren Anspruch auf Rückzahlung der Kaution in Höhe von 1474,- DM einschließlich Zinsen unwiderruflich an den Bezirkssozialdienst der Stadt X ab und bat um Überweisung der Kaution auf ihr Konto.

Mit Bescheid vom 14.11.1996 bewilligte die Beklagte der Klägerin ein Darlehen in Höhe von 1.474,- DM und führte aus, das Darlehen sei von der Klägerin an ihren Vermieter zu zahlen. Die Summe diene diesem zur Sicherung der Ansprüche aus dem Mietverhältnis. Erträge aus dem Darlehen wüchsen dem Darlehen zu. Sodann enthielt der Bescheid folgenden Passus:

"Über die Darlehenstilgung wird entschieden, wenn sie aus dem Bezug von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG ausscheiden oder die Wohnung aus sonstigen Gründen aufgeben. Hierüber erhalten sie dann einen gesonderten Bescheid. Ich weise darauf hin, daß das Darlehen sofort zur Rückzahlung fällig ist, wenn unrichtige oder unvollständige Angaben zu seiner Bewilligung geführt haben."

Der Bescheid enthielt sodann nur noch die Rechtsbehelfsbelehrung.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin keinen Widerspruch ein. Die Beklagte überwies die bewilligte Darlehenssumme auf das Konto der Klägerin. Diese leitete den Betrag an ihren Vermieter weiter.

In der Folgezeit machte die Klägerin gegenüber ihrem Vermieter Mängel der Wohnung geltend. Derentwegen kündigte sie ...

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