Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattungspflicht des Geldinstituts bei Eingang einer Rentenzahlung auf ein im Soll stehendes Konto des Leistungsberechtigten. Entreicherungseinwand. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Erfolgt die Übertragung des Wertes der Geldleistung (Rentenzahlung) auf ein vom Zeitpunkt der Gutschrift bis zum Eingang des Rückforderungsverlangens des Rentenversicherungsträgers durchgehend im Soll stehendes Konto und wird das Vermögen des Kontoinhabers bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur derart vermehrt, dass seine Schulden gegenüber dem Geldinstitut vermindert werden, bleibt das Geldinstitut zur Erstattung der Geldleistung verpflichtet.

2. Für das Bestehen oder Nichtbestehen des Rückerstattungsanspruchs nach § 118 Abs 3 SGB 6 ist nicht entscheidend, ob im Zeitraum zwischen Rentenüberzahlung und Eingang der Rückforderung (zufällig) eine nach dem Bankvertrag vorgesehene periodische Verrechnung des Geldinstituts mit eigenen Forderungen auch tatsächlich stattgefunden hat.

3. Die Regelung des § 118 Abs 3 SGB 6 greift nicht verfassungswidrig in die durch Art 12 GG geschützte Berufsfreiheit bzw den Gleichheitssatz des Art 3 GG ein.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.04.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten auch im Berufungsverfahren. Der Streitwert wird auf 758,75 Euro festgesetzt. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin einen Betrag von 758,75 Euro zu erstatten hat, der ihr nach dem Tod der Leistungsberechtigten J I (im Folgenden: Leistungsberechtigte) zugeflossen ist.

Die am 00.00.2004 verstorbene Leistungsberechtigte bezog von der Klägerin große Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes von zuletzt monatlich 810,60 Euro. In dieser Höhe wurde die Rente auch nach ihrem Tod noch für den Monat Juni 2004 auf ihr Konto bei der Beklagten überwiesen.

Im Zeitpunkt des Eingangs der Rente für Juni 2004 am 28.05.2004 befand sich das Konto valutarisch mit 1.170,62 Euro im Soll. Seitdem wurden von dem Girokonto folgende Buchungen vorgenommen:

28.05.2004: Barauszahlung in Höhe von 700 Euro; 04.06.2004: Barauszahlung in Höhe von 50 Euro; 09.06.2004: Barauszahlung in Höhe von 50 Euro; 15.06.2004: Lastschrifteinzug/ec-Karte in Höhe von 27,80 Euro.

Die Barauszahlungen erfolgten jeweils am Geldautomaten unter Benutzung der Geheimzahl. Am 01.07.2004 betrug der Sollsaldo des Kontos 1.242,36 Euro.

Mit einem bei der Beklagten am 01.07.2004 eingegangenen Schreiben forderte die Klägerin von der Beklagten den überzahlten Rentenbetrag für Juni 2004 in Höhe von 758,75 Euro (= 810,60 Euro abzüglich der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner und Pflegeversicherung) zurück. Die Beklagte lehnte die erbetene Rückzahlung unter Hinweis darauf ab, dass über den Rentenbetrag anderweitig verfügt worden sei.

Nach einem weiteren erfolglosen Rückforderungsersuchen hat die Klägerin am 04.10.2004 beim Sozialgericht Dortmund unter Bezugnahme auf § 118 Abs.3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Leistungsklage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass über die Rentenleistung im Sinne des § 118 Abs.3 S.3 SGB VI anderweitig verfügt worden sei. Da sich das Konto der Leistungsberechtigten bei Eingang der Rente im Soll befunden habe, habe die Beklagte die Geldleistung zur Minderung ihrer eigenen Forderung aus dem der Leistungsberechtigten eingeräumten Dispositionskredit und damit zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet. Dies sei nach § 118 Abs.3 S.4 SGB VI unzulässig.

Nach Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich zuständige Sozialgericht Köln hat die Klägerin erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 758,75 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG, Urteil vom 09.12.1998 (B 9 V 48/97 R), die Auffassung vertreten, nicht zur Rückerstattung der überzahlten Rentenleistung verpflichtet zu sein, weil über den Rentenbetrag bei Eingang des Rückforderungsverlangens der Klägerin bereits anderweitig verfügt worden sei. Sie habe den überwiesenen Betrag auch nicht zur Befriedigung eigener Forderungen verwendet. Allein die Tatsache, dass sie im Rahmen eines bestehenden Kontokorrentverhältnisses eine eingehende Rentenzahlung vertragsgemäß in ein debitorisch geführtes Konto einstelle, stelle jedenfalls insoweit keine endgültige Verrechnung mit eigenen Forderungen dar, als sie in der Folge Verfügungen zugelassen habe. Sie sei auch rechtlich gesehen nicht in der Lage, sich durch eine wirksame Verrechnung mit dem Minussaldo insoweit Befriedigung zu verschaffen; denn sie habe keine Wahl, ob sie den Rentenempfänger weiter verfügen lasse. Vielmehr sei sie ungeachtet des Kontostandes gemäß § 55 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) in Verbindung mit § 394 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, diesen über die eingegangenen Ren...

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