Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattungsanspruch des Versicherten bei unaufschiebbarer, von der Krankenkasse nicht erbrachter Leistung
Orientierungssatz
1. Der Kostenerstattungsanspruch des Versicherten gegenüber der Krankenkasse nach § 13 Abs. 3 SGB 5 setzt u. a. voraus, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.
2. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestanden hat.
3. Kann einem Jugendlichen, der unter erheblichen Zwangsstörungen mit depressiven Episoden leidet, innerhalb von 10 Tagen ein Behandlungsplatz in einem zugelassenen kinder- und jugendpsychiatrischen Krankenhaus zur Verfügung gestellt werden, so fehlt es an der einen Kostenerstattungsanspruch auslösenden Unaufschiebbarkeit der benötigten Leistung.
4. Bei objektiver Leistungsfähigkeit der Krankenkasse ist es unerheblich, ob der Versicherte davon keine Kenntnis hat, solange er sich nicht bei seiner Krankenkasse erkundigt.
5. Trotz objektiv bestehender Versorgungsmöglichkeit kann dann von einer unaufschiebbaren Leistung ausgegangen werden, wenn die Krankenkasse durch Fehlinformation bewirkt hat, dass der Versicherte die ihm objektiv bereitstehende Leistung subjektiv für nicht verfügbar hält und sie deshalb nicht in Anspruch nimmt.
6. An dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem ablehnenden Bescheid der Krankenkasse und den dem Versicherten entstandenen Kosten fehlt es in jedem Fall, wenn sich der Versicherte bereits vor Erlass des Bescheides auf das von ihm gewählte Krankenhaus festgelegt hat und der ablehnende Bescheid damit das weitere Geschehen nicht mehr beeinflussen konnte.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 27.05.2009 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Kostenerstattung für einen stationären Aufenthalt in der D-Klinik N (CDK) vom 20.06.2006 bis 13.07.2006 in Höhe von 11.905,99 Euro in Anspruch.
Der am 00.00.1989 geborene Kläger leidet bzw. litt unter erheblichen Zwangsstörungen sowie depressiven Episoden mit sporadisch auftretenden Suizidgedanken. Bereits vor dem hier streitigen Aufenthalt in der CDK wurde er vom 22.11.2005 bis zum 16.02.2006 in der X Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie N (I-klinik - Bericht vom 20.04.2006) und darüber hinaus ambulant u.a. in der Institutsambulanz C der I-klinik behandelt.
Am 29.05.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer stationären Behandlung in der CDK, die keinen Versorgungsvertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen hat. Dem Antrag beigefügt war ein Bericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. N vom 15.05.2006, ein Kostenvoranschlag der CDK vom 17.05.2006 über 11.905,99 Euro sowie ein Bericht der Institutsambulanz C der I-klinik (Dipl.-Psych. C) vom 19.05.2006. In dem Kostenvoranschlag der CDK war u.a. vermerkt, dass 14 Tage vor Beginn der stationären Therapie eine Vorauszahlung von 2.500,00 Euro zu leisten sei. Erfolge die Vorauszahlung nicht, gehe man davon aus, dass das Behandlungsangebot nicht wahrgenommen werden solle. In diesem Fall behalte sich die Klinik vor, den Therapieplatz anderweitig zu vergeben. Dipl.-Psych. C führte in seinem Bericht u.a. aus, dass aufgrund des bereits chronischen Verlaufs und der massiven Ausprägung der Zwangsstörung eine ambulante Psychotherapie nicht ausreichend sei. Eine stationäre Behandlung in Marl-Sinsen habe sich als unzureichend erwiesen. Daher werde dringend eine stationäre Behandlung in der CDK empfohlen, da nur dort aufgrund der Spezifität, Häufigkeit und Intensität der Therapiemaßnahmen hinreichende Behandlungseffekte zu erwarten seien.
Die für den 20.06.2006 vorgesehene stationäre Aufnahme des Klägers bestätigte die CDK unter dem 23.05.2006. Die vorgesehene Abschlagszahlung von 2.500,00 Euro wurde dem Konto der CDK am 31.05.2006 gutgeschrieben.
Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag ab und führte aus, dass die CDK keinen Versorgungsvertrag mit gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossen habe. Der Kläger habe die Wahl unter den in Deutschland zugelassenen Krankenhäusern und Vertragsärzten. Sie - die Beklagte - rate ihm, mit dem behandelnden Arzt andere Behandlungsmöglichkeiten abzusprechen (Bescheid vom 31.05.2006).
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug im Wesentlichen vor: Abhilfe könne nur eine stationäre Behandlung in der CDK schaffen. Auch handele es sich um eine unaufschiebbare Leistung, weil die Gefahr weiterer Chronifizierung drohe und zudem auch ein Behandlungsversuch in einer Vertragsklinik wegen der sich u.U. ergebenden Gefahr einer Falschbehandlung nicht zumutbar sei.
In der Zeit vom 20.06.2006 bis 13.07.2006 hat sich der Kläger der beabsichtigten stationären Behandlung in der CDK unterzogen. Die hierfür geschuldete Vergütung i.H.v. 11.905,99 Euro haben seine Eltern vollständig entrichtet...