Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Entscheidung des Berufungsausschusses über Sonderbedarfszulassung. Favorisierung des Kriteriums Wartezeit vor anderen Kriterien
Orientierungssatz
Bei der Entscheidung über eine Sonderbedarfszulassung ist die Favorisierung des Kriteriums der Wartezeit vor anderen Kriterien, wie etwa das Verhältnis der Arztdichte im Planungsbereich oder die Fallzahlen der kardiologisch ausgerichteten Praxen, vom Beurteilungsspielraum des Berufungsausschusses gedeckt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18.07.2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8) zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Beigeladenen zu 8) eine Sonderbedarfszulassung zu erteilen ist.
Die Beigeladene zu 8) ist als Fachärztin für innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie seit 13.11.2001 als angestellte Ärztin in der Praxis der Frau Dr. E Z, Fachärztin für innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie, in N tätig. Im Mai 2005 beantragte sie die Zulassung im Rahmen des Sonderbedarfs für den Schwerpunkt Kardiologie in Gemeinschaftspraxis mit Frau Dr. Z. Sie sei seit knapp vier Jahren wegen der großen Anzahl an Patienten in N im Rahmen des Jobsharings angestellt. Die Wartezeiten für eine kardiologische Untersuchung der Patienten läge im Raum N/G/D derzeit bei durchschnittlich über 3 Monaten. Sie hätten trotz Intensivierung der Kooperation mit Hausärzten bislang nicht reduziert werden können und würden durch die neuen Regelungen des EBM eher verlängert. Zudem sei es aufgrund DMP-Verträgen zur Zunahme von kardiologischen Leistungen gekommen. Der Mangel an Kardiologen im Raum N zeige sich auch daran, dass Hausärzte und Internisten Ausnahmegenehmigungen für Belastungs- und Langzeit-EKGs erhalten hätten. Eine Gefährdung mancher Patienten sei durch die langen Wartezeiten nicht ausgeschlossen.
Die Klägerin vertrat die Ansicht, ein besonderer Bedarf sei angesichts der im Planungsbereich Neuss tätigen Internisten mit dem Schwerpunkt Kardiologie nicht feststellbar.
Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag mit Beschluss vom 24.11.2005 ab. Im Kreis N seien 3 Kardiologen tätig. Im Stadtgebiet N betrage die Wartezeit bei Altpatienten 2 - 3 Monate, bei neuen Patienten 4 - 6 Wochen und in dringenden Fällen 1 - 2 Tage. Die durchschnittliche Fallzahl eines Kardiologen in der Bezirksstelle betrage 635 Fälle pro Quartal, in N 843 Fälle pro Quartal. Die Versorgung der kardiologischen Patienten sei daher sichergestellt.
Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beigeladene zu 8) u. a. darauf hin, die Angaben zu den Wartezeiten seien unzutreffend. Sie betrügen derzeit für eine kardiologische Untersuchung im Durchschnitt 4 - 5 Monate.
Der Landesverband der BKK und die AOK R befürworteten die Zulassung. Die AOK R gab an, die von der Beigeladenen zu 8) vorgetragenen Argumente grundsätzlich bestätigen zu können, die Wartezeit für eine kardiologische Untersuchung, von dringenden Fällen abgesehen, läge im Durchschnitt bei fast 6 Monaten. Derart lange Wartezeiten seien nicht angemessen.
Nachdem die Klägerin sich erneut gegen eine Zulassung ausgesprochen hatte, erteilte der Beklagte mit Beschluss vom 10.05.2006 der Beigeladenen zu 8) die Zulassung als Fachärztin für innere Medizin, Schwerpunkt Kardiologie, für den beantragten Versorgungsarztsitz nach Nr. 24 b der Bedarfsplanungsrichtlinien der Ärzte. Die Zulassung erfolge mit der Maßgabe, dass für die Beigeladene zu 8) nur die ärztlichen Leistungen, welche im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand Kardiologie stünden, abrechnungsfähig seien. Es liege ein besonderer Versorgungsbedarf vor, der sich nicht bereits dadurch ergebe, dass in der Stadt Neuss nur ein Kardiologe für 50.000 Einwohner zur Verfügung stehe; diese Verhältniszahl lasse keine zuverlässigen Schlüsse auf einen Bedarf zu. Auch der Rückgriff auf die kardiologischen Durchschnittszahlen sei nicht ausreichend, denn danach könne bei einer Praxis im Planungsbereich davon ausgegangen werden, dass rechnerisch noch Kapazitäten bestünden. Mit einer derart theoretischen Überlegung sei die Versorgung der Versicherten nicht zu gewährleisten, weil diese Patienten bis heute nicht von dieser Praxis in angemessener Zeit versorgt würden. Der Versorgungsbedarf ergebe sich vielmehr aus den langen Wartezeiten. Nicht nur die Beigeladene zu 8) habe auf Wartezeiten von 4 - 5 Monaten hingewiesen, sondern auch die AOK R habe aufgrund der Erfahrungen ihrer Mitglieder bestätigt, dass die Wartezeit für kardiologische Leistungen im Durchschnitt fast 6 Monate betrage. Über die gleichen Erfahrungen habe auch das vom VdAK entsandte Mitglied des Beklagten aufgrund von Patientenbeschwerden berichtet. Auch eine Angestellte des Beklagten habe die Erfahrung gemacht, ...