Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Arbeitsunfähigkeitszeiten eines Kolchosemitglieds mit durchgehender Beitragsentrichtung. Beitragszeiten iS des § 15 Abs 1 FRG

 

Orientierungssatz

Eine vorübergehende krankheitsbedingte Arbeitsunterbrechung eines Kolchosemitglieds, für die auch ununterbrochen Beiträge entrichtet wurden, steht der Annahme einer Beitragszeit iS des § 15 Abs 1 FRG nicht entgegen (vgl LSG Essen vom 25.1.2019 - L 21 R 370/15). Insbesondere besteht auch im Falle einer vorübergehenden, aber mehr als einen Monat andauernden, Arbeitsunfähigkeit noch eine hinreichende Bindung des Versicherten an das (Vollzeit-)Beschäftigungsverhältnis.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im zweiten Rechtszug.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die von der Klägerin im Zeitraum vom 01.03.1985 bis zum 31.07.1985 zurückgelegten Versicherungszeiten als nachgewiesene Beitragszeiten anzuerkennen sind.

Die am 1958 in K….in in der früheren UdSSR im heutigen K………. geborene Klägerin war ausweislich des vorgelegten Arbeitsbuchs vom 07.03.1977 bis zum 26.05.1993 Mitglied der K……….K…….; die Klägerin siedelte dann am 07.06.1993 nach Deutschland über. Sie ist laut Bescheinigung der Stadt G……… vom 11.08.1993 als Spätaussiedlerin nach § 4 des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge - Bundesvertriebenengesetz - (BVFG) anerkannt.

Mit Vormerkungsbescheid vom 07.10.1997 stellte der Rentenversicherungsträger, die damalige LVA Rheinprovinz, die ab dem 07.03.1977 zurückgelegten Beitrags- und Beschäftigungszeiten fest. Hierbei wurden im Gesamtzeitraum vom 07.03.1977 bis zum 25.05.1993 mit Unterbrechungen Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) als nachgewiesen anerkannt. Hierbei war unter anderem für das Jahr 1985 der Zeitraum vom 01.01.1985 bis zum 17.06.1985 als Pflichtbeitragszeit anerkannt worden, nicht jedoch der Zeitraum vom 18.06.1985 bis zum 31.12.1985.

Mit Schreiben vom 23.09.2013 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und vertrat hierzu die Auffassung, dass nach neuerer Rechtsprechung die Zeiten in der Kolchose (UdSSR) durchgehend als nachgewiesene Zeiten vollumfänglich zu 6/6 anzuerkennen seien.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit Schreiben vom 05.01.2014 unter anderem mit, sie habe im Jahr 1985 aufgrund von Krankheit circa fünf Monate - im Zeitraum März bis Juli 1985 - nicht gearbeitet. Des Weiteren teilte die Klägerin die jeweiligen Daten der Wiederaufnahme der Arbeit nach den Geburten ihrer drei Kinder mit.

Mit Feststellungsbescheid vom 04.04.2014 nahm die Beklagte sodann den Bescheid vom 07.10.1997 im Hinblick auf die für drei Teilzeiträume nach den Geburten der drei Kinder der Klägerin getroffenen Feststellungen nach § 44 SGB X zurück (07.03.1978 bis 28.12.1978, 21.04.1979 bis 22.02.1980 und 10.08.1986 bis 13.06.1987). Dem Bescheid war als Anlage der Versicherungsverlauf der Klägerin vom 04.04.2014 beigefügt. Hierin wurde der Zeitraum vom 01.03.1985 bis zum 31.07.1985 als „krank/Gesundheitsmaßnahme ohne Beitragszahlung“ vorgemerkt (Anlage 2/Seite 2 des Bescheids).

Mit Schreiben vom 27.04.2014 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 04.04.2014 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, die Beklagte habe die Zeit vom 01.03.1985 bis zum 31.07.1985 als Krankheitszeit ohne Beitragszahlung anerkannt. Unabhängig von etwaigen Fehlzeiten habe jedoch in der Rentenversicherung der Kolchosebauern eine Zwangsabführung der Beiträge zum Sozialfond auch bei Krankheitszeiten bestanden. Alle einfachen Beschäftigten in der Kolchose seien in der ehemaligen Sowjetunion ab dem 01.01.1965 durch das Gesetz vom 15.07.1964 (KolchososRG (SPP SSSR 1964, Nr. 20, Art. 128) durch öffentlich-rechtlichen Zwang in ein System der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen worden und zwar in den „zentralisierten Unionssozialversicherungsfond der Kolchos-Bauern“. Für eine Aberkennung der streitgegenständlichen Beitragszeiten bleibe daher kein Raum. Hierzu werde auch auf die bundessozialgerichtliche Rechtsprechung verwiesen. Bei ununterbrochener Beitragszahlung aufgrund eines ganzjährigen Beschäftigungsverhältnisses komme es auf etwaige Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht an, da die Beitragszahlung durch die Kolchose hierdurch nicht unterbrochen worden sei und § 15 FRG nur an die Beitragszahlung und nicht an eine Beschäftigungszeit anknüpfe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, Zeiträume ohne Arbeitsleistung, zum Beispiel während der gesetzlichen Mutterschutzfristen, eines Mutterschaftsurlaubes, Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von mindestens einem vollen Kalendermonat, der Pflege eines Angehörigen oder einer schulischen Ausbildung seien nach § 26 Satz 4 FRG i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 3 Buchst. c FRG nicht als Beitragszeiten anzuerkennen.

Hiergegen h...

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