Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau. Hauer. Verweisung. Zigarettenautomatenauffüller. Zumutbarkeit. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ein bergmännischer Facharbeiter, der als Hauer eingesetzt ist, kann zumutbar auf den Beruf des Zigarettenautomatenauffüllers verwiesen werden.
2. Zum Aufgabengebiet eines Zigarettenautomatenauffüllers.
3. Die höchstrichterliche Rechtsprechung, die zur Frage einer zulässigen Ablehnung einer angebotenen Arbeit im Rahmen der Arbeitslosenversicherung ergangen ist, hat in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass eine Beeinträchtigung von Belangen der Versichertengemeinschaft nur dann als gerechtfertigt angesehen werden kann, wenn und soweit der Schutzbereich des Art 4 GG eröffnet ist und bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der Gewissensposition des einzelnen ein höheres Gewicht zukommt als den verfassungsrechtlich angeordneten Gemeinschaftsaufgaben, hier: Sicherung der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Sozialversicherung, deren Belange ihren verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt im Sozialstaatsprinzip finden (vgl BSG vom 23.6.1982 - 7 RAr 89/81 = BSGE 54, 7 = SozR 4100 § 119 Nr 19, BVerfG vom 13.6.1983 - 1 BvR 1239/82 = SozR 4100 § 119 Nr 22). Art 4 GG soll ein allgemeines Recht auf Verwirklichung von Gewissensentscheidungen gewährleisten (vgl BSG vom 18.2.1987 - 7 RAr 72/85 = BSGE 61, 158 = SozR 4100 § 119 Nr 30). Die für den Bereich der Arbeitslosenversicherung an Art 4 GG orientierten und entwickelten Grundsätze des BSG sind gleichermaßen tragend für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung.
4. Die durch Art 1 GG geschützte Würde eines Versicherten ist durch die Verweisung auf die Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers nicht verletzt.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit hat.
Der ... 1966 in der Türkei geborene Kläger wurde am 15.09.1981 im Deutschen Steinkohlenbergbau angelegt und begann dort zunächst eine Ausbildung zum Berg- und Maschinenmann, die er jedoch vorzeitig abbrach. Nach einer Ausbildung zum Jungbergmann folgten im wesentlichen Tätigkeiten als Strebhauer 2, Hauer in der Aus- und Vorrichtung sowie als Hauer in der Gewinnung. Vor seiner Arbeitsunfähigkeit ab 03.09.1999 war er zuletzt als Hauer in der Gewinnung nach Lohngruppe 11 des Tarifvertrages für den rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau (Lohnordnung) beschäftigt.
Der Kläger führte vom 06.01.2000 bis 03.02.2000 wegen Beschwerden seitens der Halswirbel- und Lendenwirbelsäule bei nachgewiesenen Protrusionen L4/5 und L5/S1 in der Knappschaftsklinik B D ein stationäres Heilverfahren durch. Die Klinikärzte entließen den Kläger als arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, vertraten jedoch die Auffassung, dass die bisherige Tätigkeit mittelfristig wieder aufgenommen werden könne.
Am 30.09.2000 kehrte der Kläger aus gesundheitlichen Gründen aus dem Steinkohlebergbau ab. Er bezieht seit dem 01.10.1999 von der Beklagten eine Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau.
Zuvor hatte der Kläger am 06.04.2000 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit beantragt, woraufhin diese seine Untersuchung durch den sozialmedizinischen Dienst veranlasste. In einem nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstatteten Gutachten vom 13.07.2000 diagnostizierte Dr. N unter Berücksichtigung des Rehaentlassungsberichts sowie eines CT-Befundes der Lendenwirbelsäule (LWS) vom 06.09.1999 bei dem Kläger ein chronisch wiederkehrendes Schmerzsyndrom der LWS bei CT-nachgewiesenen Protrusionen in den Etagen L4/5 und L5/S1, Irritation des Ileosakralgelenkes (ISG) links, gelegentlich wiederkehrende Schmerzsyndrome im Halswirbelsäulenbereich und Zehenmykose beidseits. Im Rahmen ihrer Leistungsbeurteilung gelangte Dr. N zu der Ansicht, dass die von ihr erhobenen objektiven Befunde die vom Kläger geklagte Schmerzausprägung nicht nachvollziehbar erscheinen lassen; außerdem sei während des Untersuchungsganges eine Verdeutlichungstendenz nicht zu übersehen gewesen. Zusammenfassend sei der Kläger damit noch in der Lage, mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig und regelmäßig zu verrichten.
Gestützt auf diese medizinischen Feststellungen lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 21.08.2000 ab und vertrat die Auffassung, der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zahlreiche, von ihr näher benannte Tätigkeiten, unter anderem als Auslieferungsfahrer im Arzneimittelgroßhandel sowie auch als Kassierer an Selbstbedienungstankstellen auszuüben.
Mit dem Widerspruch machte der Kläger unter Vorlage des Entlassungsberichts der Klinik für neurologische und klinische Neurophysiologie der Evangelischen Kliniken in G vom 20.02.2001 geltend, seine Leistungsfähigkeit sei auf Grund der Einschränkungen im orthopädischen Bereich sowie Depressionen, sch...