Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenübernahme für Kontaklinsen. Therapeutische Sehhilfen. Strabismus
Leitsatz (redaktionell)
Ein Anspruch auf Versorgung mit Kontaklinsen setzt eine schwere Sehbeeinträchtigung i.S.v. § 33 Abs. 1 S. 5 Hs 1 i.V.m. Ziff. 53.1 der HM-RL voraus (Sehschärfe bei bestmöglicher Korrektur von maximal 0,3 oder Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen). § 53 Abs. 1 S. 5 Hs 2 SGB V i.V.m. Ziff. 53.2 der HM-RL ist nicht erweiternd dahingehend auszulegen, dass eine vorbeugende Versorgung mit Kontaktlinsen zur Verhinderung eines Strabismus erfolgen muss.
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3, § 33 Abs. 1 S. 5, Abs. 3, § 34 Abs. 1 S. 4; HM-RL Ziff. 53.1; HM-RL Ziff. 53.2
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 12. September 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des damals 20-jährigen Klägers auf Kostenerstattung (KE) für eine Kontaktlinse.
Der am 00.00.1985 geborene Kläger, der bei der Beklagten gegen Krankheit versichert ist, erlitt infolge eines Unfalls im Kindesalter eine Contusio bulbi (stumpfes Trauma des Augapfels mit verschiedenen Verletzungsfolgen am Auge). Eine zunehmende Trübung der beeinträchtigten Linse des linken Auges erforderte im Jahre 1994 deren Absaugung. Seitdem besteht eine Aphakie (Linsenlosigkeit des Auges) links bei hoher Hyperopie (Weitsichtigkeit) links von +18 Dioptrien (Dpt.). Auf dem rechten, nicht unfallgeschädigten Auge liegt eine Myopie (Kurzsichtigkeit) von -0,75 Dpt. vor. Seit vielen Jahren trägt der Kläger auf dem linken Auge eine Kontaktlinse, so dass dort ein Visus (Maßeinheit für die Sehschärfe) von 1,0 mit reduziertem Stereosehen vorliegt. Mit Korrektur durch - zusätzlich - eine Brille ist auf dem rechten Auge ein Visus von 1,2 erreicht.
Unter Vorlage einer augenärztlichen Verordnung des Augenarztes L aus E vom 24.06.2004 beantragte der Kläger eine entsprechende Kostenübernahme (KÜ) für eine Kontaktlinse für das linke Auge bei der Beklagten, deren Materialwert bei 71,58 EUR lag. Mit Bescheid vom 08.07.2004 lehnte diese die beantragte KÜ mit Hinweis auf die zum 01.01.2004 durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I Nr. 55 (GKV-Modernisierungsgesetz), geänderte Rechtslage ab. Die für einen Sachleistungsanspruch eines über 18-Jährigen gesetzlich vorausgesetzte schwerwiegende Sehbeeinträchtigung liege nicht vor; denn die Sehschärfe betrage bei dem Kläger bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brille oder bei Kontaktlinsenversorgung auf dem besseren Auge deutlich mehr als 0,3.
Der Kläger beschaffte die begehrte Kontaktlinse am 19.07.2004 und zahlte den Kaufpreis von 76 EUR. Gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten legte er Widerspruch ein und trug vor, dass das Tragen der Kontaktlinse auf dem geschädigten Auge unabdingbar sei. Anderenfalls drohe ein Totalverlust des Sehvermögens.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.2004 als unbegründet zurück. Ergänzend stellte sie darauf ab, dass eine Aphakie-Kontaktlinse, wie sie der Kläger trage, ausschließlich refraktionskorrigierend wirke und keine therapeutische Linse darstelle, für die die Kosten übernommen werden könnten.
Der Kläger hat am 06.10.2004 Klage zum Sozialgericht Duisburg erhoben. Ergänzend hat er vorgetragen, der Zweck der Kontaktlinse gehe über den reinen Ausgleich der Sehminderung hinaus. Diese habe auch therapeutische Wirkung; denn es solle eine Verschlimmerung der Sehschwäche verhindert werden. Zudem diene sie dazu, Sekundärschäden zu vermeiden, wie beispielsweise entsprechendes Schielen. Auf das Tragen einer Brille könne er bezüglich des Ausgleichs der Sehschwäche auf dem linken Auge nicht verwiesen werden, da auf beiden Augen extrem unterschiedliche Sehschwächen vorlägen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 08.07.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2004 zu verurteilen, die Kosten für die Kontaktlinse in Höhe von 71,58 EUR zu erstatten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat sie auf den ihrer Auffassung nach zutreffenden angefochtenen Bescheid verwiesen. Sie hat sich durch das eingeholte Sachverständigengutachten in ihrer Rechtsauffassung bestärkt gesehen.
Das Sozialgericht hat zunächst einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes L eingeholt. Dieser hat unter dem 03.12.2004 die Diagnosen "Aphakie links bei Zustand nach Operation in 01/1993 sowie hohe Hyperopie links" gestellt. Es sei keine Änderung des Befundes abzusehen. Eine bessere Sehschärfe könne nur durch das Tragen einer Kontaktlinse erreicht werden. Die Sehschärfe auf dem besseren Auge, dem rechten, sei nicht beeinträchtigt.
Sodann hat das Sozialgericht Beweis erhoben durch Einholung eines augenfachärztlichen Gutachtens von Dr. M, Evangelisches Krankenhaus N. Dieser hat in seine...