Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsakts. Pflicht zur Teilnahme an einer neunmonatigen Eingliederungs- bzw Aktivierungsmaßnahme. Geltungszeitraum des Ersetzungsbescheides über 6 Monate hinaus "bis auf weiteres". Ermessensausübung
Orientierungssatz
1. Wird eine Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt ersetzt, sind dessen Regelungen im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessene Ausgleich zu bringen wie bei einer konsensualen Eingliederungsvereinbarung (vgl BSG vom 23.6.2016 - B 14 AS 42/15 R = BSGE 121, 268 = SozR 4-4200 § 15 Nr 6).
2. Soweit der Grundsicherungsträger unter Ermessensausübung einen Eingliederungsverwaltungsakt mit einem über sechs Monate hinaus reichenden Geltungszeitraum "bis auf weiteres" - in Verbindung mit einer Überprüfung nach spätestens sechs Monaten - erlässt, weil der Leistungsberechtigte mit ihm zur Teilnahme an einer neunmonatigen Eingliederungsmaßnahme verpflichtet wird, ist dies mit den gesetzlichen Vorgaben vereinbar.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 05.05.2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 3 S. 3 SGB II.
Der am 00.00.1986 geborene Kläger ist kroatischer Nationalität. Er erwarb 2005 die mittlere Reife. Über eine Berufsausbildung verfügt er nicht. Seit 2009 war der Kläger mit Ausnahme weniger Monate Tätigkeit als Bote und Helfer arbeitslos und bezog fortlaufend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 28.05.2019 bot der Beklagte dem Kläger die Teilnahme an einer Maßnahme zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung mit der Bezeichnung "Richtungswechsel - Neue Wege" bei der U GmbH in C an. Die Maßnahme sollte 11,3 Monate andauern. Parallel dazu erließ der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt vom 28.05.2019, die eine Teilnahme des Klägers an der Maßnahme vorsah, jedoch keine Rechtsfolgenbelehrung enthielt. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein und trat die Maßnahme nicht an. Dem Widerspruch gab der Beklagte mit Abhilfebescheid vom 19.07.2019 statt.
Am 01.08.2018 (Donnerstag) wurde dem Kläger in einem persönlichen Gespräch der Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung betreffend die Teilnahme an der Maßnahme "Richtungswechsel - Neue Wege gehen" bei der U GmbH zur beruflichen Eingliederung in der Zeit vom 07.08.2019 bis 14.05.2020 vorgelegt. Die Eingliederungsvereinbarung wurde nicht abgeschlossen. Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 01.08.2019 einen Eingliederungsverwaltungsakt, der vom 01.08.2019 "bis auf weiteres" galt. Dieser Bescheid wurde mit Postzustellungsurkunde vom 06.08.2019 zugestellt. Als Ziel des Eingliederungsverwaltungsaktes gab der Beklagte an, die beruflichen Integrationschancen des Klägers möglichst kurzfristig zu verbessern. Ziel sei es, den Kläger an den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt heranzuführen, Vermittlungshemmnisse festzustellen, zu verringern oder zu beseitigen, die Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung sowie die Stabilisierung der Beschäftigungsaufnahme (Ziffer 3).
Unter Ziffer 4 beauftragte der Beklagte die U GmbH als Dritten mit der Aktivierung und Vermittlung nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs.1 S.1 SGB III für die Dauer von 9,5 Monaten, beginnend ab dem 07.08.2019.
Unter Ziffer 5 verpflichtete der Beklagte den Kläger zur Teilnahme an der Aktivierungsmaßnahme "Richtungswechsel - Neue Wege gehen" gemäß § 16 SGB II i.V.m. § 45 SGB III zur beruflichen Eingliederung in der Zeit vom 07.08.2019 bis 14.05.2020. Inhalte der Maßnahme seien die Klärung und Stabilisierung der persönlichen (finanziellen, gesundheitlichen sowie privaten) Rahmenbedingungen, Klarheit über die eigene (gesundheitliche) Leistungsfähigkeit zu gewinnen, gemeinsame Aktivitäten in der Gruppe, das Erkennen und Stärken von Potentialen und der Selbstwirksamkeit mit einer daraus folgenden Ableitung eines realistischen Berufsbildes, eine berufliche Orientierung, eine betriebliche Erprobung bei einem Arbeitgeber, das Finden des Zugangs zur Arbeitswelt. Zu den Mitwirkungspflichten des Klägers wurde ausgeführt:
"Meine Mitwirkungspflichten erstrecken sich auf alle Aktivitäten, die der Träger im Zusammenhang zur beruflichen Aktivierung und Vermittlung fordert, u. a.:
• Interessierte und motivierte Teilnahme an der Maßnahme durch den beauftragten Träger nach § 16 Abs. 1 SGB 2 vom 7.8.2019 bis 14.5.2020 • nach Aufforderung des Dritten nehme ich persönliche Vorsprachen war und halte die verabredeten Termine ein • meine aktive Mitwirkung bei allen auf die berufliche Eingliederung abzielenden Leistungen. Hierzu gehört auch die Annahme von Arbeit angeboten durch den Träger. Der Träger ist v...