Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept des Sozialhilfeträgers. Festlegung von Vergleichsräumen im Landkreis Minden-Lübbecke
Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an ein “schlüssiges Konzept„ zur Bemessung der angemessenen Kosten von Unterkunft und Heizung bei einem Kreis im ländlichen Raum mit inhomogener Bevölkerungs-, Besiedlungs- und Infrastrukturstruktur (Zulässigkeit einer sog Clusteranalyse mit Bildung unterschiedlicher Wohnungsmarkttypen und Angemessenheitsgrenzen im Kreisgebiet bei gleichzeitiger Möglichkeit, ohne Bedarfsdeckungsnachteile im gesamten Kreisgebiet Wohnung zu nehmen).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 30.09.2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für April bis Juni monatlich um 19,50 EUR höhere Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII für Kosten der Unterkunft.
Der 1949 geborenen, verheirateten Klägerin wurde vom Versorgungsamt wegen angeborener Skoliose und hinzugetretener Folgebeschwerden ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 ohne Merkzeichen zuerkannt. Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) gewährte ihr (rückwirkend) seit November 2009 eine vorgezogene Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 08.12.2010; laufende Zahlungen ab Februar 2011); in den Monaten April bis Juni 2013 betrug der Zahlbetrag jeweils 485,61 EUR. Über weitere Einkünfte verfügten die Eheleute in dieser Zeit nicht.
Die beklagte Gemeinde T liegt im äußersten Nordwesten des Kreises Minden-Lübbecke. Sie besteht aus 13 Einzeldörfern, hat eine Fläche von 166,13 km² und hatte laut amtlichen Bevölkerungszahlen auf der Basis des Zensus vom 09.05.2011 13.571 Einwohner (www.it.nrw.de/statistik/a/daten/bevoelkerungszahlen zensus/index.html). Örtliche Miet- oder Betriebskostenspiegel werden für T nicht erhoben. Der Kreis Minden-Lübbecke umfasst etwa 1.152 km² und hat etwa 310.000 Einwohner (ca. 270 Einwohner/km²). Das Kreisgebiet unterfällt in elf kreisangehörige Gemeinden und Städte. Größere Städte wie Minden (ca. 80.000 Einwohner), Porta Westfalica (ca. 35.000 Einwohner) und Bad Oeynhausen (ca. 50.000 Einwohner) befinden sich im östlichen Kreisgebiet. In diesen Städten konzentriert sich über die Hälfte der Kreisbevölkerung. Der Westen des Kreises - insbesondere das Gemeindegebiet der Beklagten - ist eher dünn besiedelt. So wohnen auf dem Gebiet der Beklagten etwa 82 Einwohner/km², während in Minden und Bad Oeynhausen mehr als 500 Einwohner/km² leben. Eine Autobahnanbindung (A 30, A 2) besteht in den im Südosten des Kreisgebietes gelegenen Städten Bad Oeynhausen und Porta Westfalica. Bundesstraßen (B 61, B 239, B 482) durchqueren den Kreis vorwiegend in Nord-Süd-Richtung; die einzige Verbindung über eine Bundesstraße in Ost-West-Richtung (B 65) verläuft im Süden des Kreises durch Minden, Hille, Lübbecke und Preußisch Oldendorf. Bahnanschlüsse in Nord-Süd-Richtung sind nur in Rahden, Espelkamp und Lübbecke sowie in Minden vorhanden. Einen einheitlich über das gesamte Kreisgebiet organisierten öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gibt es nicht.
Die Klägerin und ihr Ehemann bewohnten bis Februar 2011 ein Eigenheim in T. Das Anwesen mit einer Gesamtgröße von etwa 3.790 m² bestand aus einem bebauten sowie einem unbebauten Grundstück. Bei Verbraucherinsolvenzverfahren der Eheleute wurde es aus der Insolvenzmasse herausgelöst. Anschließend konnte im Mai 2011 das Hausgrundstück versteigert werden, während das unbebaute Grundstück (1.479 m²) mangels Kaufinteressenten bis heute im Eigentum der Eheleute verblieb. Die Verbraucherinsolvenzverfahren wurden durch Beschlüsse des Amtsgerichts Bielefeld vom 16.02.2012 - 43 IN 00/08 (Klägerin) bzw. 29.06.2012 - 43 IN 00/08 (Ehemann) aufgehoben. Die Eheleute blieben danach noch Eigentümer eines PKW (Citroen, Baujahr 1996).
Seit 2008 bezogen die Eheleute Grundsicherung für Arbeitsuchende beim Jobcenter der Beklagten. 2010 bemühten sie sich wegen des anstehenden Verlustes des Hausgrundstücks um eine Mietwohnung. Am 24.11.2010 beantragte der Ehemann der Klägerin bei der Beklagten die Zusicherung zur Kostenübernahme für eine (nicht näher bezeichnete) neue Unterkunft. Wohnungsgröße und Miethöhe lägen innerhalb der vom Kreis Minden-Lübbecke festgesetzten Grenzen. Die Eheleute hätten die Option, dem Vermieter eine Anmietung bis zum 25.11.2010 zuzusagen. Noch am selben Tag teilte die Beklagte dem Ehemann mit, sie sichere die Kostenübernahme für eine Unterkunft in T zu, sofern Wohnungsgröße und Miethöhe einschließlich der Nebenkosten innerhalb der vom Kreis Minden-Lübbecke veröffentlichten Grenzen lägen.
Am 01.12.2010 schloss der Ehemann der Klägerin für sich und die Klägerin zum 01.03.2011 einen Mietvertrag über eine 60 m² große Wohnung in T. Am 15.02.2011 bezogen die Eheleute die Wohnung und leben dort bis heute. Die monatlichen Kosten (§ 2 Mietvertrag) ...