Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen. Herbeiführung der Leistungen durch ein eigenes Verhalten. Unterlassen. Nichterfüllung einer Mitwirkungsobliegenheit. Garantenpflicht. Kostenersatz bei schuldhaftem Verhalten. Kenntnis des Vertreters von der Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung. keine gesetzliche Vertretung eines Kindes ohne Sorgerecht
Orientierungssatz
1. Die Verpflichtung zum Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen nach § 104 S 1 SGB 12, welche eine Herbeiführung der Leistungen durch ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten voraussetzt, kann sowohl durch ein Tun als auch durch ein Unterlassen ausgelöst werden.
2. Als Unterlassen kommt insbesondere die Nichterfüllung einer Mitwirkungsobliegenheit in Betracht. Ein Unterlassen setzt immer eine Garantenpflicht in der Weise voraus, dass ein legislatives Werturteil eine Rechtspflicht zum Tun fordert.
3. Vertreter iS des § 103 Abs 1 S 2 SGB 12 kann nur sein, wem eine rechtsgeschäftliche oder gesetzliche Vertretungsmacht zukommt. Ein nicht sorgeberechtigter Elternteil kann damit grundsätzlich nicht zum Ersatz für die seinen Kindern zu Unrecht gewährte Sozialhilfe herangezogen werden.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.03.2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten die Kosten der seinen beiden Töchtern erbrachten Sozialhilfeleistungen gemäß § 104 bzw. § 103 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zu ersetzen.
Von Oktober 1997 bis Mai 2004 bezog die heutige Ehefrau des Klägers, Frau I T1, fortlaufend und ohne Unterbrechungen (bis auf die Monate Dezember 2003 und Januar 2004) Sozialhilfe von der Beklagten. Mit ihr im Leistungsbezug standen durchgängig ihre Töchter O (geb. 00.001997) und ab Mai 2000 N (geb. 00.00.2000), deren Vater jeweils der Kläger ist. Allein sorgeberechtigt war bis Ende Mai 2004 die heutige Ehefrau des Klägers, auf deren Konto die Sozialhilfeleistungen für die Töchter überwiesen wurden. Seit Oktober 1998 lebte der Kläger in einer Wohnung in dem Mehrfamilienhaus, in dem auch seine heutige Ehefrau und die beiden Töchtern ihre gemeinsame Wohnung hatten.
Am 25.06.2004 heiratete der Kläger seine heutige Ehefrau. Ab Juni 2004 erbrachte die Beklagte keine Sozialhilfeleistungen mehr, weil der Kläger den Bedarf übersteigendes Erwerbseinkommen hatte, so dass seine Ehefrau und Kinder damit nicht mehr hilfebedürftig waren.
Mit Bescheid vom 01.02.2007 nahm die Beklagte nach vorheriger Anhörung der Ehefrau des Klägers (Schreiben vom 25.08.2006) gegenüber O, gesetzlich vertreten durch die Ehefrau des Klägers, die in der Anlage zu diesem Bescheid aufgeführten Bewilligungen von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 13.10.1998 bis 31.05.2004 insoweit zurück,
"soweit es die Berücksichtigung
1. ihres Vaters, des Herrn I T, seines Einkommens aus seiner Erwerbstätigkeit bei der Firma W, den geänderten Regelsatz, den Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfen, die Überschussanteile etc.,
2. Ihr UVG im Juli und August 2003
3. die Einkünfte Ihrer Mutter aus deren Erwerbstätigkeit bei der L. Gastronomie und die damit verbundenen Änderungen betrifft und hierdurch Überzahlungen entstanden sind."
Zur Begründung führte die Beklagte aus, das Erwerbseinkommen des Klägers hatte bei der Hilfe zum Lebensunterhalt berücksichtigt werden müssen, weil der Kläger und seine Ehefrau eine eheähnliche Lebensgemeinschaft gebildet hätten. Außerdem seien Unterhaltsvorschussleistungen bewilligt worden, die bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt im Juli und August 2003 nicht berücksichtigt worden seien. Des Weiteren hätte die Ehefrau des Klägers für den Zeitraum September bis Oktober 2003 Erwerbseinkommen erzielt, das ebenfalls bei der Hilfegewährung nicht berücksichtigt worden sei. Es liege daher ein Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vor. Zwar treffe O kein Verschulden hinsichtlich der unrichtigen bzw. unvollständigen Angabe maßgeblicher Tatsachen; jedoch erfolge die Rücknahme des Bewilligungsbescheides, um im Anschluss den in § 104 SGB XII verankerten Anspruch gegenüber dem eigentlichen Verursacher der zu Unrecht gewährten Hilfe, nämlich der Ehefrau des Klägers als gesetzlicher Vertreterin von O, geltend machen zu können.
Mit Bescheid vom 02.02.2007 erließ die Beklagte einen identischen Rücknahmebescheid gegenüber N, gesetzlich vertreten durch die Ehefrau des Klägers.
Mit Bescheid vom 05.02.2007 nahm die Beklagte zudem gegenüber der Ehefrau des Klägers die in der Anlage 1 zu diesem Bescheid aufgeführten Entscheidungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis 30.11.2003 und vom 01.02.2004 bis 31.05.2004 insoweit zurück,
"soweit es die Berücksichtigung
1. Ihres Ehemannes, des He...