Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilferecht: Kostenersatz bei zu Unrecht erbrachten Leistungen. Erstattungspflicht des Lebensgefährten bei fehlender eigener Antragstellung. Erstattungspflicht des Vertreters
Orientierungssatz
1. Der Lebenspartner einer Sozialhilfeempfängerin, der selbst weder einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt noch an einer Antragsstellung mitgewirkt hat, ist bei zu Unrecht erbrachten Leistungen nicht zum Kostenersatz gemäß §§ 103, 104 SGB 12 verpflichtet, selbst wenn er von der Leistungsgewährung jedenfalls mittelbar profitierte und von der fehlerhaften Antragstellung wusste.
2. Soweit die Kostenersatzpflicht in § 104 SGB 12 auch dem Vertreter eines Antragstellers obliegt, sind damit nur gesetzliche oder vertraglich berechtigte Vertreter gemeint, nicht jedoch sonstige Dritte, die in einer Beziehung zum Antragsteller stehen. Ist deshalb nur ein Elternteil gegenüber einem Kind sorgeberechtigt und tritt gegenüber dem Sozialamt in Erscheinung, so kann bei zu Unrecht erbrachter Leistung nicht auch der andere Elternteil in Anspruch genommen werden.
Tenor
Der Bescheid vom 05.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.07.2009 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Klägers zum Kostenersatz für zu Unrecht erbrachte Leistungen nach § 104 bzw. § 103 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).
Von Oktober 1997 bis Mai 2004 bezog die heutige Ehefrau des Klägers, I T-L, ununterbrochen (bis auf die Monate Dezember 2003 und Januar 2004) Sozialhilfe von der Beklagten. Mit ihr im Leistungsbezug standen durchgängig ihre Töchter O (geb. 00.00.1997) und nachfolgend auch N (geb. 00.00.2000), deren Vater der Kläger ist. Am 25.06.2004 heiratete der Kläger seine heutige Ehefrau. Ab Juni 2004 wurden keine Sozialhilfeleistungen mehr erbracht, da der Kläger über übersteigendes Erwerbseinkommen verfügte, so dass seine heutige Ehefrau und Kinder damit nicht mehr hilfebedürftig waren.
Mit Bescheid vom 01.02.2007 nahm die Beklagte gegenüber O, gesetzlich vertreten durch die heutige Ehefrau des Klägers, die in der Anlage aufgeführten Entscheidungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 13.10.1998 bis 31.05.20004 an O insoweit zurück, soweit es die Berücksichtigung 1. des Klägers, seines Einkommens, den geänderten Regelsatz, den Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfen, die Überschussanteile etc., 2. die Unterhaltsvorschussleistungen im Juli und August 2003 und 3. die Einkünfte der heutigen Ehefrau des Klägers aus deren Erwerbstätigkeit und die damit verbundenen Änderungen betrifft und hierdurch Überzahlungen entstanden seien. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass das Erwerbseinkommen des Klägers bei der Hilfe zum Lebensunterhalt hätte berücksichtigt werden müssen, weil der Kläger und seine heutige Ehefrau eine eheähnliche Lebensgemeinschaft geführt hätten. Außerdem seien Unterhaltsvorschussleistungen bewilligt worden, die bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt im Juli und August 2003 nicht berücksichtigt worden seien. Des Weiteren hätte die heutige Ehefrau des Klägers für den Zeitraum September bis Oktober 2003 Erwerbseinkommen erzielt, das ebenfalls bei der Hilfegewährung nicht berücksichtigt worden sei. Es liege daher ein Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) vor. Zwar treffe O kein Verschulden hinsichtlich der unrichtigen bzw. unvollständigen Angabe maßgeblicher Tatsachen; jedoch erfolge die Rücknahme des Bewilligungsbescheides, um im Anschluss den in § 104 SGB XII verankerten Anspruch gegenüber dem eigentlichen Verursacher der zu Unrecht gewährten Hilfe, nämlich vorliegend der heutigen Ehefrau des Klägers als gesetzlicher Vertreterin von O, geltend machen zu können. Mit Bescheid vom 02.07.2007 erließ die Beklagte einen parallelen Rücknahmebescheid gegenüber N, gesetzlich vertreten durch die heutige Ehefrau des Klägers. Mit Bescheid vom 05.02.2007 nahm die Beklagte zudem gegenüber der heutigen Ehefrau des Klägers die in der Anlage aufgeführten Entscheidungen über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 13.10.1998 bis 30.11.2003 und vom 01.02.2004 bis 31.05.2004 insoweit zurück, soweit es die Berücksichtigung 1. des Klägers, seines Einkommens, den geänderten Regelsatz, den Mietanteil, den Heizbedarf, die Weihnachtsbeihilfen, die Überschussanteile etc. und 2. die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit der heutigen Ehefrau des Klägers und die damit verbundenen Änderungen betrifft und hierdurch Überzahlungen entstanden sind. Gleichzeitig wurde die heutige Ehefrau des Klägers aufgefordert, die zu Unrecht erhaltene Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 24.160,32 EUR zu erstatten. Mit Schreiben vom 06.02.2007 erstattete die Beklagte zudem Strafanzeige und stellte Strafantrag gegen die heutige Ehefrau des Klägers.
Gegen die Bescheide vom 01.02.2007, 02.02.2007 und 05.02.2007 erhob die heutige Ehefrau des Kläge...