Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Arbeitsunfähigkeitszeiten eines Kolchosemitglieds mit durchgehender Beitragsentrichtung. Beitragszeiten iS des § 15 Abs 1 S 1 FRG

 

Orientierungssatz

Arbeitsunfähigkeitszeiten eines Kolchosemitglieds, für die durchgehend Beiträge entrichtet wurden, sind als Beitragszeiten iS des § 15 Abs 1 S 1 FRG zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 08.04.2015 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rentenhöhe. Die Klägerin begehrt im Anwendungsbereich des Fremdrentengesetzes (FRG) die Bewertung von Zeiten als Beitragszeiten statt lediglich als Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit.

Der im Jahr 1938 in der damaligen UdSSR geborene, am 00.00.2016 verstorbene Versicherte war vom 06.02.1971 bis zum Tag seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland am 01.10.1992 in der UdSSR in einer Kolchose als Mitglied in verschiedenen Tätigkeiten (Viehzüchter, Arbeiter und Wächter) durchgehend erwerbstätig. Für den Versicherten zahlte seine Kolchose in dieser gesamten Zeit lückenlos Beiträge zum "zentralisierten Unionssozialversicherungsfonds der Kolchosbauern". Diese Beitragszahlung wurde auch im Fall von Beschäftigungslücken (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Witterung) nicht unterbrochen. Der Versicherte war vom 20.04.1975 bis zum 13.07.1975, vom 07.05.1979 bis zum 12.07.1979, vom 05.02.1980 bis zum 03.07.1980 und vom 09.05.1981 bis zum 01.08.1981 arbeitsunfähig erkrankt. Am 01.10.1992 siedelte er in die Bundesrepublik Deutschland über. Er ist Inhaber des Vertriebenenausweises "A". Die Klägerin ist seine Ehefrau und Rechtsnachfolgerin.

Die Beklagte bewilligte dem Versicherten auf dessen Antrag vom 15.08.1997 mit Bescheid vom 21.11.1997 Rente wegen Arbeitslosigkeit für die Zeit ab dem 01.02.1998. Dabei bewertete sie insbesondere die Jahre 1975, 1979, 1980 und 1981 durchgehend und ohne Unterbrechung als Beitragszeiten.

Mit Bescheid vom 10.10.2013 stellte die Beklagte die dem Versicherten gewährte Rente für die Zeit ab dem 01.12.2013 neu fest (und gewährte dem Versicherten auf seinen Überprüfungsantrag vom 05.06.2013 zugleich eine Nachzahlung von 3.266,21 Euro). Dabei berücksichtigte die Beklagte für die Jahre 1975, 1979, 1980 und 1981 nunmehr nur noch folgende Beitragszeiten:

01.01. - 30.04.1975

01.07. - 31.12.1975

01.01. - 31.05.1979

01.07. - 31.12.1979

01.01. - 29.02.1980

01.07. - 31.12.1980

01.01. - 30.05.1981

01.08. - 31.12.1981

Hiergegen erhob der Versicherte mit Schreiben vom 19.10.2013 Widerspruch. Der Versicherte teilte der Beklagten auf deren Nachfrage am 26./30.10.2013 mit, er sei vom 20.04.1975 bis zum 13.07.1975, vom 07.05.1979 bis zum 12.07.1979, vom 05.02.1980 bis zum 03.07.1980 und vom 09.05.1981 bis zum 01.08.1981 arbeitsunfähig erkrankt gewesen.

Mit Bescheid vom 23.06.2014 stellte die Beklagte die dem Versicherten gewährte Rente neu fest, verbunden mit dem Hinweis, dass dieser Bescheid "Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens" gemäß § 96 SGG werde. Die Monate Juli 1975, Mai und Juli 1979, Februar und Juli 1980 sowie Mai und August 1981 berücksichtigte sie als weitere Beitragszeiten. Die Zeiten vom 20.04.1975 bis zum 13.07.1975, vom 07.05.1979 bis zum 12.07.1979, vom 05.02.1980 bis zum 03.07.1980 und vom 09.05.1981 bis zum 01.08.1981 berücksichtigte sie als Anrechnungszeiten wegen Krankheit ("krank / Gesundheitsmaßnahme - keine Anrechnung").

Dagegen erhob der Versicherte am 27.06.2014 Widerspruch und führte im Wesentlichen aus, er sei durchgehend Mitglied der Kolchose gewesen. An Krankheits- oder Fehlzeiten könne er sich nicht erinnern, sie könnten daher ausgeschlossen werden. In der Rentenversicherung der Kolchosbauern habe außerdem eine Zwangsabführung der Beiträge auch während der Krankheitszeiten bestanden. Auf den Nachweis, ob in der Kolchose an einzelnen Tagen gearbeitet worden sei, komme es mithin nicht an. Seine Rechtsauffassung werde durch das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 20.06.2013 (L 7 R 1192/12) gestützt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch des Versicherten mit der Begründung zurück, der Versicherte habe am 30.10.2013 angegeben, in den streitgegenständlichen Zeiträumen arbeitsunfähig erkrankt gewesen zu sein. Diese Zeiten seien als Anrechnungszeiten wegen Krankheit berücksichtigt worden, weil im Arbeitsbuch des Versicherten für die entsprechenden Jahre weniger Arbeitstage und "triftiger Grund" angegeben worden sei. Für Zeiträume ohne Arbeitsleistung, beispielsweise Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von mindestens einem vollen Kalendermonat, für die nach § 26 Satz 4 FRG keine Entgeltpunkte zu ermitteln seien, seien gemäß § 15 Abs. 3 Satz 3 Buchst. c FRG auch keine Beitragszeiten anzuerkennen. Mitgliedschaftszeiten in einer russischen Kolchose seien zwar grundsätzlich als nachgewiesene Z...

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