Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs. Anspruch auf Gewährung eines Mehrbedarfs bei atypischer Bedarfslage
Orientierungssatz
1. Der Regelbedarf nach § 28 SGB 12 für die Jahre 2016 und 2017 entspricht den verfassungsrechtlichen Vorgaben.
2. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 23. 7. 2014, 1 BvL 10/12 ist ein Kraftfahrzeug im Grundsicherungsrecht nicht als existenznotwendig zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat mit Blick auf die Lebenshaltungskosten lediglich zu berücksichtigen, dass der existenznotwendige Mobilitätsbedarf tatsächlich gedeckt ist. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, für den Bereich der Mobilität einen Betrag zu berücksichtigen, der den Erwerb einer Monatskarte im öffentlichen Nahverkehr ermöglicht.
3. Fahrkosten sind grundsätzlich im Regelbedarf enthalten. Lediglich bei Vorliegen einer atypischen Bedarfslage kommt die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Kosten der Mobilität in Betracht, z. B. zur Gewährung des Umgangsrechts (BSG Urteil vom 4. 6. 2014, B 14 AS 30/13 R).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21.06.2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung höherer Regelleistungen für die Zeit von Januar bis Oktober 2017.
Der am 00.00.1985 geborene Kläger ist alleinstehend und bezog in dem hier streitigen Zeitraum von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bei ihm ist ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Mit Bescheid vom 18.10.2016 wurden dem Kläger für die Zeit vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2017 monatliche Leistungen in Höhe von 754,- Euro (Regelbedarf in Höhe von 404,- Euro und Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 350,- Euro) bewilligt. Die für eine ehrenamtliche Tätigkeit für den Nachbarschaftsverein "N" unregelmäßig gezahlte Aufwandsentschädigung für die durch diese Tätigkeit entstehenden Kosten wurden dabei aufgrund der Geringfügigkeit nicht als Einkommen angerechnet. Der Kläger legte gegen den Bewilligungsbescheid mit Schreiben vom 25.10.2016 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2016 zurückwies.
Der Kläger hat hiergegen am 28.11.2016 Klage vor dem Sozialgericht Dortmund erhoben. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der ab dem 01.01.2017 geltenden Regelsätze bestehen.
Während des Widerspruchs- und Klageverfahrens hat der Beklagte zu dem Bewilligungsbescheid vom 18.10.2016 eine Vielzahl von Änderungsbescheiden erlassen. Mit Änderungsbescheid vom 26.11.2016 berechnete er die Leistungen ab Januar 2017 neu und bewilligte dem Kläger unter Berücksichtigung der Regelsatzerhöhung zum 01.01.2017 (nunmehr 409,- Euro) monatlich 759,- Euro. Den hiergegen eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2017 als unzulässig. Der angefochtene Bescheid sei Gegenstand des Klageverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.10.2016. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 07.07.2017 berechnete der Beklagte die Leistungen für Juli 2017 neu und bewilligte dem Kläger unter Berücksichtigung einer vom Kläger zu zahlenden Heizkosten- und Betriebskostennachzahlung in Höhe von 95,36 Euro für diesen Monat 854,36 Euro. Mit Bescheid vom 10.07.2017 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß §§ 112 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 33 und §§ 44 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) für die Zeit vom 01.08.2017 bis zum 31.07.2019. Bewilligt wurden ein Ausbildungsgeld von monatlich 501,- Euro und Fahrtkosten in Höhe von monatlich 73,67 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 25.07.2017 reduzierte der Beklagte daraufhin die Leistungsbewilligung für August 2017 auf 361,40 Euro und für September/Oktober 2017 auf monatlich 284,33 Euro. Dabei rechnete er die von der Bundesagentur für Arbeit bewilligten Leistungen abzüglich eines Freibetrags von 100,- Euro an und gewährte dem Kläger für August 2017 eine Beihilfe für Renovierungskosten in Höhe von 77,07 Euro. Der Kläger legte hiergegen mit Schreiben vom 24.07.2017 Widerspruch ein. Die Nebenkosten für August 2017 seien fehlerhaft berechnet worden. Am 04.05.2017 habe er außerdem einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 4 SGB II gestellt, der noch nicht beschieden worden sei. In einem weiteren Schreiben machte der Kläger außerdem geltend, dass die von der Bundesagentur für Arbeit gewährten Fahrtkosten in Höhe von monatlich 73,67 Euro nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden dürfen. Mit Änderungsbescheid vom 29.08.2017 berechnete der Beklagte daraufhin die Leistungen für den Zeitraum 01.08.2017 bis 31.10.2017 neu und bewilligte dem Kläger für August 2017 nunmehr 504,55 Euro und für September und Oktober 2017 monatlich 427,48 Euro. Er gewährte dem Kläger einen Mehrbedarf...