Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragshaftung gem § 150 Abs 3 SGB 7. Gesamtunternehmer im Baugewerbe. insolventer Nachunternehmer. keine Exkulpation. keine analoge Anwendung des § 28e Abs 3b SGB 4. verschuldensunabhängige Bürgenhaftung. Verfassungsmäßigkeit. Berufsausübungsfreiheit. Gemeinwohl. Solidaritätsprinzip. Solidarhaftung. allgemeiner Gleichheitssatz
Orientierungssatz
1. Für die Beitragshaftung eines Gesamtunternehmers im Baugewerbe gem § 150 Abs 3 SGB 7 bezüglich der rückständigen Beiträge und Umlagen seines Nachunternehmens iSd des § 211 Abs 1 SGB 3 aF bzw § 175 Abs 2 SGB 3 nF bzw bezüglich der rückständigen Insolvenzgeldumlage besteht keine Exkulpationsmöglichkeit, da die Vorschrift des § 150 Abs 3 SGB 7 nach dem eindeutigen Wortlaut ausschließlich auf die Vorschrift des § 28e Abs 3a SGB 4 verweist und eine entsprechende Anwendung der Bestimmungen des § 28e Abs 3b - Abs 3f SGB 4 nicht anordnet.
2. Die Vorschrift des § 150 Abs 3 SGB 7 verstößt weder gegen die Berufsausübungsfreiheit gem Art 12 Abs 1 GG noch gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gem Art 3 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 12.07.2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens auch im zweiten Rechtszug. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides nach § 150 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII).
Die Klägerin ist im Baugewerbe tätig. Sie beauftragte die Firma X KG, C, als Nachunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen. Über das Vermögen der Firma X KG wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 01.01.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Bis zum 31.12.2003 war dieses Unternehmen Mitglied der Beklagten. Durch Beitragsvorschussbescheid vom 24.04.2003 setzte die Beklagte den für den Beitrag und die Umlagen für 2003 zu zahlenden Vorschuss nach §164 SGB VII auf 59.173,66 EUR fest. Daraufhin zeigte das Unternehmen an, dass sich der Betrieb aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten verkleinert habe und sich die Lohnsumme im Jahr 2003 auf voraussichtlich 436.900,00 EUR belaufen werde. Durch Bescheid vom 13.05.2003 minderte die Beklagte den zu zahlenden Vorschuss auf 28.695,47 EUR, zahlbar bis zum 15.05.2003 in Höhe von 10.357,00 EUR, bis zum 15.08.2003 in Höhe von 9.565,00 EUR und bis zum 15.10.2003 in Höhe von 9.565,00 EUR. Das Unternehmen zahlte jeweils am 15.05, 15.07, 15.08 und 15.09.2003 jeweils einen Betrag von 6.800,00 EUR entsprechend der Stundungsvereinbarung vom 14.05.2003. Die Vorschusszahlungen von insgesamt 27.200,00 EUR verrechnete die Beklagte in Höhe von 14.603,17 EUR mit der Beitrags- und Umlageforderung sowie den Säumniszuschlägen für 2002 und in Höhe von 12.596,83 EUR mit der Beitrags- und Umlageforderung sowie den Säumniszuschlägen für 2003.
Am 19.08.2004 meldete das Unternehmen der Beklagten als meldepflichtiges Arbeitsentgelt für 2003 einen Betrag von 575.842,00 EUR. Durch Beitragsbescheid vom 31.08.2004 stellte die Beklagte einen Gesamtbeitrag für das Jahr 2003 in Höhe von 50.463,04 EUR, einschließlich des Beitrags für eine freiwillige Versicherung des Herrn Q nach §§ 3 Abs. 1 Nr.1, 6 Abs. 1 SGB VII in Höhe von 792,50 EUR fest. Die Beklagte nahm anschließend die Firma Kesting Massivhaus GmbH nach § 150 Abs. 3 SGB VII in Höhe von 2.876,67 EUR für die Beitragsforderung 2003 in Anspruch, die diese beglich. Aus dem Beitragsbescheid vom 31.08.2004 bleibt noch eine Forderung von 35.306,00 EUR offen (Aufstellung vom 08.01.2007 über das Beitragskonto der Firma X KG).
Die Beklagte hörte die Klägerin zum Erlass eines Haftungsbescheides nach § 150 Abs. 3 SGB VII wegen des rückständigen Beitrages der Firma X KG für 2003 an. Daraufhin legte die Klägerin eine von der Beklagten ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 13.05.2003, gültig bis zum 31.12.2003, vor, in der bescheinigt wird, dass die Firma X KG ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Beklagten bis zum 13.05.2003 erfüllt hatte. Sie vertrat die Auffassung, dass aufgrund dieser Unbedenklichkeitsbescheinigung sämtliche Haftungsansprüche der Beklagten nichtig seien. Auf Anfrage der Beklagten zur Höhe der von der Firma X KG in Rechnung gestellten Beträge und des in den Rechnungsbeträgen enthaltenen Bruttoentgelts teilte die Klägerin mit, dass der Umsatz mit der Firma X KG im Jahr 2003 abzüglich aller Umlagen 723.438,08 EUR netto betragen habe.
Durch Haftungsbescheid vom 14.02.2005 verpflichtete die Beklagte die Klägerin zur Entrichtung von Beiträgen und Nebenumlagen, einschließlich der Insolvenzgeld-Umlage für 2003 nach § 150 Abs. 3 SGB VII in Sachen "X KG" in Höhe von insgesamt 33.982,22 EUR. Bei der Berechnung des Beitrages und der Umlagen legte die Beklagte ein Arbeitsentgelt in Höhe von 482.243,00 EUR (66,66 % des Nettorechnungsbetrages von 723.438,08 EUR) zugrunde.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch...