Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeldanspruch. nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer. humanitärer Flüchtling. Aufenthaltstitel. Erwerbstätigkeit. § 1 Abs 7 BEEG. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs 7 Nr 3 Buchst b BEEG.

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) für das Erziehungsgeld (vgl BSG vom 2.10.1997 - 14 REg 1/97 = SozR 3-1200 § 14 Nr 24 = NVwZ 1998, 1110), die der Senat wegen der insoweit identischen Konstellation auf das Elterngeld überträgt, ist maßgebend für den Bezug von Erziehungs- bzw Elterngeld die tatsächliche Erteilung des Aufenthaltstitels und der darin enthaltenen Regelung der Erwerbstätigkeit des Begünstigten. Beide müssen bereits zu Beginn des Leistungszeitraums vorliegen; es genügt nicht, dass materiell ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestand (vgl LSG Essen vom 27.2.2009 - L 13 EG 69/08).

 

Nachgehend

BSG (Teilurteil vom 30.09.2010; Aktenzeichen B 10 EG 9/09 R)

BSG (Vorlegungsbeschluss vom 30.09.2010; Aktenzeichen B 10 EG 9/09 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom14.10.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revisionwird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Elterngeld für die Zeit vom 22.08.2007 bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats der am 00.03.2007 geborenen Zwillinge N und N1 und in diesem Zusammenhang um die Verfassungsmäßigkeit von § 1 BEEG.

Die 00.00.1985 geborene Klägerin ist ledig und kongolesische Staatsangehörige. Sie reiste am 10.03.2002 im Alter von 16 Jahren ohne das erforderliche Visum nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Sie gab an, ihr Vater werde politisch verfolgt, sie wisse nicht, wo er sich aufhalte. Ihre Mutter sei verstorben, ihre Verwandten hätten sich nicht mehr um sie kümmern können, zuletzt sei sie von einem katholischen Geistlichen betreut worden. Dieser habe ihr geraten, zu ihrer Tante nach Deutschland zu gehen. Im Fall einer Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo wisse sie nicht, wohin sie gehen solle.

Die Klägerin erhielt zunächst eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Mit Bescheid vom 04.11.2002 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag ab, verneinte das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach §§ 51 und 53 des Ausländergesetzes und drohte der Klägerin die Abschiebung in die Demokratische Republik Kongo an. Politische Verfolgung drohe ihr nicht. Abschiebungshindernisse wegen konkreter Gefahren für Leib, Leben oder Gesundheit lägen ebenfalls nicht vor, weil die Klägerin im Kongo noch Verwandte habe, die sich um sie kümmern könnten. Außerdem könne sie, wie vor der Ausreise, die katholische Kirche weiter unterstützen.

Die Klägerin erhob gegen den Bescheid Klage. Versuche des zum Vormund der Klägerin bestellten Jugendamts F, ihre Verwandtschaftsverhältnisse im Kongo zu klären, blieben erfolglos.

Mit Urteil vom 18.01.2005 verpflichtete das Verwaltungsgericht Köln das Bundesamt, bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG festzustellen. Die Klägerin würde unmittelbar nach ihrer Rückkehr in eine extreme Gefährdungslage geraten, weil sie in ihrer Heimat keine zur Aufnahme bereiten Verwandten oder Bekannten habe. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung den Eindruck einer äußerst zerbrechlichen und nicht gefestigten Persönlichkeit gemacht, die nach Einschätzung des Gerichts den täglichen Überlebenskampf in ihrer von größter wirtschaftlicher Not geprägter Heimat nicht ohne erheblichen Schaden an Leib und Leben bestehen würde. Insbesondere drohe die Klägerin sexuell ausgebeutet zu werden, wenn sie nicht gefestigte Strukturen aufgenommen werde. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Das Bundesamt setzte das Urteil mit Bescheid vom 19.05.2005 um, indem es bei der Klägerin ein Abschiebungsverbot hinsichtlich der Demokratischen Republik Kongo feststellte.

Die zuständige Ausländerbehörde erteilte der Klägerin daraufhin am 07.12.2005 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG; eine Erwerbstätigkeit war nur mit ihrer Zustimmung gestattet. Diese hat die Klägerin nicht beantragt. Am 20.07.2007 wurde die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin verlängert. Seit dem 01.08.2007 bezieht die Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Am 14.12.2007 beantragte die Klägerin rückwirkend zum 20.07.2007 "zur Wahrung von Elterngeldansprüchen" eine Erlaubnis zu einer Beschäftigung jeder Art. Am 29.01.2008 erteilte ihr die Ausländerbehörde die Erlaubnis rückwirkend zur Antragstellung am 14.12.2007. Auf den Widerspruch der Klägerin verpflichtete die Bezirksregierung Köln die zuständige Ausländerbehörde mit Bescheid vom 18.08.2008, die Auflage zur Aufenthaltserlaubnis dahingehend zu ändern, dass der Klägerin während des gesamten Gültigkeitszeitraums der Aufenthaltserlaubnis seit dem 20.07.2007 eine Beschäftigung jeder Art erlaubt war.

Am 22.11.2007 beantragte si...

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