Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Kausalität bei der Geltendmachung von Folgen eines Arbeitsunfalles
Orientierungssatz
1. Als Unfallfolgen sind solche Gesundheitsschäden anzuerkennen, die zumindest mit Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Arbeitsunfall und dessen Folgen mitbedingt sind.
2. Als Folgen eines Arbeitsunfalles sind alle Gesundheitsstörungen zu berücksichtigen, die mit Wahrscheinlichkeit unmittelbar oder mittelbar i.S. wesentlicher Teilursächlichkeit auf die bei dem Unfall erlittenen Schäden zurückzuführen sind.
3. Die als Unfallfolgen in Betracht kommenden Gesundheitsstörungen müssen nachgewiesen sein, d. h. sie müssen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Geltend gemachte Gesundheitsschäden sind dann nicht auf einen Arbeitsunfall mit Wahrscheinlichkeit zurückzuführen, wenn eine geeignete Primärschädigung nicht belegt ist.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 17.02.2004 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist Verletztenrente wegen Folgen einer Kopfverletzung, die der Kläger bei einem Arbeitsunfall im Bergbau erlitten haben will.
Der 1944 geborene marokkanische Kläger war von 1964 bis 1974 (damals unter dem Vornamen "B") im deutschen Steinkohlenbergbau beschäftigt und lebt seither wieder in Marokko.
Am 31.8.1966 fiel ihm bei der Tätigkeit als Gedingeschlepper im Bergwerk I/E während der Spätschicht ein Standbolzen auf den rechten Arm. Wegen des dabei erlittenen Speichentrümmerbruchs wurde er bis zum 11.11.1966 ambulant behandelt und nahm am 14.11.1966 die Arbeit wieder auf.
Vom 13.11.1969 bis 14.1.1970 wurde der Kläger stationär in der Neurologisch-Psychiatrischen Abteilung des L-Krankenhauses C wegen vorwiegend rechtsseitiger Kopfschmerzen, Schwindelerscheinungen und Hörverschlechterungen auf dem rechten Ohr behandelt. Ein zunächst vermuteter rechtsbasal gelegener, möglicherweise raumfordernder Prozess (Verdacht auf Akustikusneurinom) konnte - auch später - nicht bestätigt werden (Berichte des L-Krankenhauses C vom 17.3., 3.4. und 29.5.1970). In Marokko wurde der Kläger wegen beidseitiger Schwerhörigkeit behandelt und im Oktober 1993 wegen rechtsseitiger Taubheit operiert (Arztberichte vom 20.10.1993 und 10.9.2001).
Im Juli 2001 beantragte er Anerkennung und Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls unter Tage; er habe 1966 bzw. 1967 unter Tage einen Arbeitsunfall mit Verletzung am Kopf erlitten, die Arbeit sofort eingestellt und sich beim Heilgehilfen gemeldet. Er sei anschließend im "Unfallkrankenhaus E" behandelt worden und 2 Wochen lang arbeitsunfähig gewesen. 1970 sei er im L-Krankenhauses C wegen "Wasser im Kopf" behandelt worden. 1974 sei er mit fortbestehenden Schmerzen nach Marokko zurückgekehrt. Wegen der Kopfschmerzen sei er auch in Marokko operiert worden.
Da die Beklagte bei ihren Ermittlungen Anhaltspunkte für einen Arbeitsunfall mit Kopfverletzung nicht fand, lehnte sie die Anerkennung und Entschädigung von Unfallfolgen ab (Bescheid vom 15.11.2002; Widerspruchsbescheid vom 18.3.2003).
Die dagegen zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage hat das SG abgewiesen: Ein Arbeitsunfall mit Kopfverletzung sei nicht nachgewiesen. In den Berichten des L-Krankenhauses C sei ein solcher Unfall nicht erwähnt (Urteil vom 17.2.2004).
Zur Begründung seiner Berufung behauptet der Kläger, seine häufigen Kopfschmerzen, nervösen Zustände, Taubheit auf beiden Ohren sowie Schwindelanfälle seien auf den Arbeitsunfall vom 31.8.1966 zurückzuführen. Durch den Unfall, bei dem ihm Eisenbarren auf den Kopf gefallen seien, habe er das Gehör verloren und sei im Krankenhaus am rechten Ohr operiert worden. Unfallzeugen seien "Herr H." und "Steiger" gewesen.
Eine erste Bitte des Klägers (vom 21.4.2006), ihm einen Rechtsanwalt zu nennen, der ihn in der mündlichen Verhandlung vertreten könne, hat der Senat als Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (im Folgenden: PKH-Gesuch) aufgefasst und diesen Antrag abgelehnt (Beschluss vom 25.4.2006).
Für den Kläger ist im Termin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen. Nach Erhalt der Benachrichtigung vom Termin hat er mitgeteilt, er sei krank und könne nicht reisen. Deshalb bitte er um einen "frei Rechtsanwalt", der ihn in der mündlichen Verhandlung vertrete. Der Senat hat dieses Vorbringen als erneutes PKH-Gesuch gewertet und es im Termin zur mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei nicht mehr möglich, Namen sowie Anschriften von Mitarbeitern festzustellen, die am 31.8.1966 auf der Zeche I Betriebsabteilung H der I Bergbau-AG in E am Betriebspunkt/Revier 00 mit dem Kläger die 12 Uhr-Schicht verfahren haben. Bei "I" handele es sich vermutlich um einen Vornamen, bei "Steiger" um die übliche Bezeichnung eines Vorgesetzten.