Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsarzt. Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität. Sachlich-rechnerische Richtigstellung der Honorarbescheide. Tagesprofile. Durchschnittszeit. Indizienbeweis. Abrechnung-Sammel Erklärung. Grobe Fahrlässigkeit. Schätzung. Fachgruppendurchschnitt. Ausschlussfrist. Schmerztherapie

 

Leitsatz (redaktionell)

Sogenannte Tagesprofile sind ein geeignetes Beweismittel, um einem Arzt Falschabrechnungen nachzuweisen. Dabei beruht die Festlegung, wie viel Zeit für eine bestimmte Leistung durchschnittlichaufzuwenden ist, auf ärztlichem Erfahrungswissen. Es ist rechtlich nicht notwendig, dass die Durchschnittszeiten bundeseinheitlich geregelt sind.

 

Normenkette

SGB V § 75 Abs. 1-2, § 106a Abs. 2 S. 1; BMV-Ä § 35 Abs. 2 S. 3, § 42 Abs. 3, § 45 Abs. 1-2; EKV-Ä § 34 Abs. 4, § 35 Abs. 3, § 43 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Düsseldorf vom 23.04.2008 abgeändert. Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Beklagte mit Bescheid vom 01.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 die Abrechnung der Ziffer 8451 auf 500 Ansätze je Quartal reduziert hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 95 % und die Beklagte zu 5 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist eine Honorarrückforderung für die Quartale I/2002 bis II/2003.

Die Klägerin war eine Gemeinschaftspraxis, der in der Zeit vom 01.01.2001 bis 30.05.2007 die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Orthopäden Dres. C und O angehörten. Vom 01.03.2002 bis 04.11.2003 war der Orthopäde Dr. E mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei der Klägerin angestellt.

Dr. C, der in L zuvor in Einzelpraxis tätig gewesen war, nahm mit entsprechender Genehmigung seit 01.04.1997 und insofern ab 2001 als einziger Arzt in der Praxis der Klägerin an der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten gemäß der Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten (zuletzt auf der Grundlage der Schmerztherapievereinbarung; Anlage 12 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV- Ä); Fassung vom 01.07.1997) teil.

Nach Plausibilitätsprüfungen der Abrechnungen des damals noch in Einzelpraxis tätigen Gesellschafters der Klägerin Dr. C nahm die Beklagte für die Quartale IV/1999 bis IV/2001 Honorarkürzungen i.H.v. 608.973,56 EUR vor (Bescheid vom 16.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005, der Gegenstand des Parallelverfahrens L 11 KA 73/08 war) und leitete nach weiteren Plausibilitätsprüfungen für die Folgequartale Zulassungsentziehungsverfahren gegen beide Gesellschafter der Klägerin ein. Die Beklagte warf den Ärzten eine ungewöhnlich hohe Abrechnungshäufigkeit für die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten sowie Implausibilitäten bei der Abrechnung diverser Gebührenziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in dem Zeitraum vor. In der Sitzung des Zulassungsausschusses für Ärzte Düsseldorf am 04.11.2003 wurde auszugsweise und insofern von den beiden Gesellschaftern der Klägerin unwidersprochen Folgendes protokolliert:

Als Anlage (zu den Entziehungsanträgen) werden 46 exemplarische Abrechnungsscheine von verschiedenen Patienten aus den Quartalen IV/2002 und I/2003 beigefügt. ( ...)

Auf die Frage, warum die Ziffer 17 EBM immer als erste Leistungsziffer im Quartal und warum diese bei jedem der 46 exemplarisch beigefügten Patienten über mehrere Quartale abgerechnet wird, antwortete (der Prozessbevollmächtigte von Dr. C) sinngemäß ‚offenkundig ist an den Tagen 01.07. und 01.10.2002 ein Fehler passiert. Nach den Ursachen (wird) geforscht’. ( ...) Die Ziffer 8450 findet bei ihm Anwendung, wenn ein Patient mit chronischen Schmerzen erscheinen würde oder wenn bei einem Patienten die Gefahr einer Chronifizierung seiner Schmerzsymptome bestehen würde. ( ...)

(Der Vorsitzende des Zulassungsausschusses) beschreibt das Tagesprofil der Praxis am Beispiel des 01.07.2002. So würde die Praxis an diesem Tag ein Zeitprofil von ca. 56 Stunden aufweisen, ohne dass die zum Ansatz gebrachten Ziffern 8450 berücksichtigt wurden. Unterstellt man, dass der Zeitaufwand von 30 Minuten für die Erbringung der Leistung der Ziffer 8450 betragen würde, würden weitere 50 Stunden an diesem Tag mit einbezogen werden. Selbst bei einem Zeitaufwand von lediglich 15 Minuten, wären noch 26 Stunden, zu den genannten 56 Stunden hinzuzuziehen. (Von den Gesellschaftern der Klägerin) wird darauf hin erklärt (Zitat): " ... Die Dinge, die hier extraordinär herausgestellt sind, werden nicht in Abrede gestellt ... es sind Fehler gemacht worden ...". Gründe für die Ursache werden nicht genannt. Allerdings wird herausgestellt, dass lediglich die Tage 01.07. und 01.10. fehlerhaft sind."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll (Bl. 504 ff. der beigezogenen Strafakte des Landgerichts Düsseld...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?