Entscheidungsstichwort (Thema)
Honorarrückforderung wegen unrichtiger Angaben vertragsärztlich erbrachter Leistungen
Orientierungssatz
1. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnung des Vertragsarztes fest. Dazu gehört u. a. die arztbezogene Prüfung der Abrechnung auf Plausibilität. Die Prüfung und sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung erstreckt sich auf die Frage, ob die abgerechneten Leistungen ordnungsgemäß erbracht worden sind. Verstöße können darin liegen, dass Leistungen überhaupt nicht, nicht in vollem Umfang, ohne die zur Leistungserbringung erforderliche Genehmigung oder unter Überschreitung des Fachgebietes erbracht worden sind. Zur Überprüfung ist es zulässig, Tagesprofile zu verwenden.
2. Wird das der Abrechnungsprüfung zugrunde gelegte Tagesprofil für einen durchgehenden längeren Zeitraum erstellt, so hat es die Wirkung eines Indizienbeweises. Damit kann dann auf die Abrechnung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbrachter Leistungen geschlossen werden.
3. Die Verwendung von Tages- und Quartalsprofilen ist nicht von der Existenz bundeseinheitlicher Zeitvorgaben oder gesamtvertraglicher Regelungen zu Plausibilitätskontrollen gemäß § 83 Abs. 2 SGB 5 abhängig. Regionale, auf den Zuständigkeitsbereich einer KV beschränkte Vergleichswerte sind ausreichend.
4. Die Abrechnungs-Sammelerklärung des Vertragsarztes ist eigenständige Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs des Vertragsarztes auf Vergütung der von ihm erbrachten Leistungen. Sie ist als Ganzes bereits dann unrichtig, wenn nur ein mit ihr erfasster Behandlungsausweis eine unrichtige Angabe über erbrachte Leistungen enthält. Das Honorarrisiko liegt auf Seiten des Vertragsarztes, der in seiner Honorarabrechnung unrichtige Angaben macht.
5. Nach Aufhebung des Honorarbescheides ist die KV berechtigt, das dem Vertragsarzt zustehende Honorar zu schätzen. Im Wege pauschalierender Schätzung darf sie sich damit begnügen, ihm ein Honorar in Höhe des Fachgruppendurchschnitts zuzuerkennen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 23.04.2008 wird zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgericht Düsseldorf vom 23.04.2008 abgeändert. Die Klage wird insoweit abgewiesen, als die Beklagte mit Bescheid vom 01.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005 die Abrechnung der Ziffer 8451 auf 500 Ansätze je Quartal reduziert hat. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens zu 95 % und die Beklagte zu 5 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine Honorarrückforderung für die Quartale I/2002 bis II/2003.
Die Klägerin war eine Gemeinschaftspraxis, der in der Zeit vom 01.01.2001 bis 30.05.2007 die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Orthopäden Dres. C und O angehörten. Vom 01.03.2002 bis 04.11.2003 war der Orthopäde Dr. E mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden bei der Klägerin angestellt.
Dr. C, der in L zuvor in Einzelpraxis tätig gewesen war, nahm mit entsprechender Genehmigung seit 01.04.1997 und insofern ab 2001 als einziger Arzt in der Praxis der Klägerin an der Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten gemäß der Vereinbarung über die ambulante Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten (zuletzt auf der Grundlage der Schmerztherapievereinbarung; Anlage 12 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV- Ä); Fassung vom 01.07.1997) teil.
Nach Plausibilitätsprüfungen der Abrechnungen des damals noch in Einzelpraxis tätigen Gesellschafters der Klägerin Dr. C nahm die Beklagte für die Quartale IV/1999 bis IV/2001 Honorarkürzungen i.H.v. 608.973,56 EUR vor (Bescheid vom 16.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2005, der Gegenstand des Parallelverfahrens L 11 KA 73/08 war) und leitete nach weiteren Plausibilitätsprüfungen für die Folgequartale Zulassungsentziehungsverfahren gegen beide Gesellschafter der Klägerin ein. Die Beklagte warf den Ärzten eine ungewöhnlich hohe Abrechnungshäufigkeit für die Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten sowie Implausibilitäten bei der Abrechnung diverser Gebührenziffern des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in dem Zeitraum vor. In der Sitzung des Zulassungsausschusses für Ärzte Düsseldorf am 04.11.2003 wurde auszugsweise und insofern von den beiden Gesellschaftern der Klägerin unwidersprochen Folgendes protokolliert:
Als Anlage (zu den Entziehungsanträgen) werden 46 exemplarische Abrechnungsscheine von verschiedenen Patienten aus den Quartalen IV/2002 und I/2003 beigefügt. ( ...)
Auf die Frage, warum die Ziffer 17 EBM immer als erste Leistungsziffer im Quartal und warum diese bei jedem der 46 exemplarisch beigefügten Patienten über mehrere Quartale abgerechnet wird, antwortete (der Prozessbevollmächtigte von Dr. C) sinngemäß ‚offenkundig ist an den Tagen 01.07. und 01.10.2002 ein Fehler passiert. Nach den Ursachen (wird) geforscht’. ( ...) Die Ziffer 8450 fi...