Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässiger Inhalt eines Eingliederungsverwaltungsaktes im Hinblick auf eine nachfolgende Sanktion des Leistungsempfängers

 

Orientierungssatz

1. Ein die Eingliederungsvereinbarung ersetzender Eingliederungsverwaltungsakt ist nach § 15 Abs. 1 S. 6 SGB 2 zu erlassen, wenn der Grundsicherungsträger zuvor den erfolglosen Versuch unternommen hat, mit dem Arbeitsuchenden eine Vereinbarung zu schließen oder im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Vereinbarung als nicht sachgerecht erscheinen lassen.

2. Eine im Eingliederungsverwaltungsakt dem Grundsicherungsberechtigten auferlegte Pflicht, innerhalb von sechs Monaten 30 Bewerbungen vorzunehmen und im Folgemonat nachzuweisen, ist nicht zu beanstanden. Eine erwerbsfähige Person muss alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit ausschöpfen, bevor er die Hilfe der Allgemeinheit in Anspruch nimmt.

3. Eine Sanktionsregelung des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB 2 zur Minderung des Leistungsanspruchs um 30 % des Regelbedarfs für die Dauer von drei Monaten ist verfassungsgemäß. Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivität unabhängigen Anspruch auf Sicherung des Existenzminimums.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.07.2015 wird zurückgewiesen, soweit damit die Klage gegen den Bescheid vom 16.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.03.2014 abgewiesen worden ist. Im Übrigen wird die Berufung als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Eingliederungsverwaltungsaktes und eines Sanktionsbescheides für den Zeitraum vom 01.04.2014 bis zum 30.06.2014.

Der im Jahr 1967 geborene Kläger absolvierte von August 1985 bis Juni 1989 eine Ausbildung zum Technischen Assistenten der Fachrichtung Elektrotechnik. Der Kläger war anschließend in seinem Ausbildungsberuf nicht tätig. Am 01.09.1989 immatrikulierte er sich an der Fachhochschule L in der Fachrichtung Elektrotechnik. Das Studium blieb bis zur Exmatrikulation am 28.02.2005 ohne Abschluss. In der Zeit von 1995 bis 2007 war der Kläger als studentische Aushilfe bzw. als geringfügig Beschäftigter im St. G Hospital in L als Pförtner und Telefonist tätig.

Seit 2005 bezieht der Kläger durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Während einer persönlichen Vorsprache am 08.04.2013 erklärte der Kläger gegenüber dem Arbeitsvermittler, nachdem er eine vorgelegte Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreiben und er auch eine Prüfung bis zum 30.04.2013 nicht durchführen wollte, dass er nichts mehr unterschreiben wolle. Die von dem Beklagten am gleichen Tag erlassene Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt wurde nach Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 21.08.2013 aus formellen Gründen aufgehoben. Ebenfalls hob die Beklagte einen Eingliederungsverwaltungsakt vom 21.09.2013 aus formellen Gründen mit Abhilfeentscheidung vom 16.10.2013 auf.

Am 16.10.2013 erließ der Beklagte sodann einen weiteren eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt für die Dauer vom 16.10.2013 bis zum 15.04.2014. Der Verwaltungsakt enthielt u.a. folgende Regelung:

"1 ...

Das Jobcenter L unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Erstattung der Kosten für nachgewiesene schriftliche Bewerbungen gemäß § 16 Absatz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 SGB III mit einem Betrag von 5,00 Euro je schriftlicher Bewerbung, max. 130,00 Euro in 6 Monaten.

Das Jobcenter L unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Erstattung von Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen gemäß § 16 Absatz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 SGB III. Die Art und Höhe der Kostenerstattung sind vorher mit dem Jobcenter L abzuklären. Bezüglich der Höhe und des Umfangs der Fahrtkostenerstattung gelten §§ 4 und 5 des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) entsprechend.

2 ...

Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung im Turnus von 1 Monat - beginnend ab 1.11.2013 - jeweils mindestens 5 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige und/oder und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und legen hierüber im Anschluss an den oben genannten jeweiligen Zeitraum jeweils bis zum 30.11.2013, dann bis zum 31.12.2013, dann bis zum 31.01.2014, dann bis zum 28.02.2014 und dann bis zum 31.03.2014 folgende Nachweise vor: Absageschreiben von Arbeitgebern, hilfsweise Kopien der Bewerbungsanschreiben.

Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen.

... "

Mit Schreiben vom 30.10.2013 legte der Kläger Widerspruch ein. Eine Eingliederungsvereinbarung könne nur dann durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden, wenn eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht zustande komme. Es sei offen, in welcher Höhe Fahrtkosten im Einzelfall übernommen würd...

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