Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenhilfe. Bemessungsentgelt. Leistungsentgelt. gewöhnlich anfallende gesetzliche Abzüge. Kirchensteuer-Hebesatz. konfessionsloser Arbeitnehmer. Jahr 2002. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Berücksichtigung des Kirchensteuerhebesatzes als gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzug iS des § 136 Abs 2 S 2 Nr 2 SGB 3 auch bei konfessionslosen Arbeitslosen ist (auch für das Jahr 2002) verfassungsgemäß (Anschluss an BSG vom 25.6.2002 - B 11 AL 55/01 R = SozR 3-4300 § 136 Nr 1).

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 19.05.2004 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen die Bescheide vom 10.01.2003, 05.03.2003 und 29.04.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 27.03.2002 ohne Berücksichtigung eines Kirchensteuerhebesatzes.

Der 1963 geborene Kläger, der die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, bezog nach einer Tätigkeit als Diplom-Sportlehrer bei dem Stadtsportbund L e. V. (01.04.1999 bis 31.03.2001) vom 01.04.2001 bis 26.03.2002 Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 17.05.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger ab 27.03.2002 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 173,11 EUR (540,00 EUR Bemessungsentgelt, Leistungsgruppe A, allgemeiner Leistungssatz). In seinem dagegen am 31.05.2002 erhobenen Widerspruch beanstandete der Kläger, dass in der Berechnung der Höhe der Leistung Kirchensteuer (7,26 EUR) berücksichtigt werde, obwohl er dem Islam angehöre und daher keine Kirchensteuer zahle. Er bitte daher, den genannten Betrag ihm auszuzahlen; dies betreffe auch die früheren Bescheide, die unberechtigterweise Kirchensteuer abgezogen hätten. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27.08.2002 teilweise als unzulässig und teilweise als unbegründet zurück. Soweit sich der Widerspruch gegen Bescheide richte, die vor dem 17.05.2002 erteilt worden seien, sei der Widerspruch als unzulässig zu verwerfen, weil er nicht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Bescheide eingegangen und damit die erforderliche Frist nicht eingehalten worden sei. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.05.2002 sei als unbegründet zurückzuweisen. Der Umstand, dass der Kläger einer anderen Glaubensrichtung angehöre, bleibe außer Betracht. Bei der Berechnung der Höhe der Arbeitslosenhilfe sei von einem pauschalierten Nettoentgelt (Leistungsentgelt) auszugehen. Das Leistungsentgelt sei das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bemessungsentgelt, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfielen. Entgeltabzüge seien Steuern, die Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung sowie die sonstigen gewöhnlich anfallenden Abzüge, die zu Beginn des Kalenderjahres maßgeblich seien. Gewöhnlich fielen auch Abzüge wegen einer Kirchensteuer an. Die Berücksichtigung von Kirchensteuer sei eine Rechengröße, die nicht dazu führe, dass Kirchensteuer tatsächlich abgeführt werde. Ob der Kläger selbst einer Kirche angehöre, sei daher nicht erheblich.

Am 19.09.2002 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, dass die Beklagte unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Menschenwürde zu dem Ergebnis kommen müsse, die ihm zustehende Leistung ohne Berücksichtigung der Kirchensteuer zu berechnen. Als Angehöriger einer Bevölkerungsgruppe, die nicht aus dem christlichen Bevölkerungskreis entspringe, werde Kirchensteuer als ein gewöhnlicher Abzug abgetan und somit die Würdigung jeder anderen Religionsgruppe ohne Kirche als anormal dargelegt. Es müsse als eine Beleidigung empfunden werden, allein aus verwaltungsvereinfachenden Gründen und dem Grundsatz einer "Gleichbehandlung?" als jemand dargestellt zu werden, der gewöhnlich Kirchensteuer zu entrichten habe. Dies widerspreche dem Grundgesetz sowie der Menschenwürde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 zur Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab dem 27.03.2002 ohne Berücksichtigung eines Kirchensteuerhebesatzes zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat an ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.

Vor dem Sozialgericht hat der Kläger erklärt, dass der Rechtsstreit nur die Höhe der Arbeitslosenhilfe ab 27.03.2002 betrifft.

Mit Urteil vom 19.05.2004 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es folgendes ausgeführt: "Der Bescheid der Beklagten vom 17.05.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2002 konnte nicht abgeändert werden, weil der Kläger durch ihn nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG ist. Dieser Bescheid ist rechtmäßig. Die Beklagte hat bei der Berechnung der Alhi ab dem 27.03.2002 zu Recht den Kirchensteuerhebesatz als Berechnungsf...

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