Entscheidungsstichwort (Thema)
Kurzarbeitergeldanspruch. Leiharbeitnehmer. Arbeitsausfall durch Arbeitskampf im Entleiherbetrieb. kein Entgeltausfall. Annahmeverzug des Verleihers. Verbot des § 11 Abs 4 AÜG
Orientierungssatz
Eine (arbeits-)vertragliche Vereinbarung des Leiharbeitsunternehmens mit den Leiharbeitnehmern dahingehend, dass die Pflicht zur Zahlung des Arbeitsentgelts entfällt, wenn die Nichtunterbringung bzw Nichtbeschäftigung der Arbeitnehmer im Vertragsgebiet durch einen Arbeitskampf bedingt ist, verletzt das gesetzliche Verbot nach § 11 Abs 4 S 2 Halbs 1 AÜG iVm § 615 S 3, S 1 BGB und ist daher nach § 134 BGB nichtig. Soweit insofern die Arbeitsentgeltansprüche fortbestehen, besteht ein Kurzarbeitergeldanspruch mangels Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzung nach § 169 Nr 1 SGB 3 nicht.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 09.06.2006 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung von Kurzarbeitergeld (Kug). Die Klägerin betreibt gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und eine unselbständige Niederlassung in E. Diese hatte der T E GmbH, die für die W Aktiengesellschaft (W AG) in deren Werk in E die gesamte Disposition und Teilelieferung für die Endmontage abwickelte, Arbeitnehmer überlassen. Wegen streikbedingter Blockademaßnahmen konnte die T GmbH im Juni 2003 ihre Logistikleistungen nicht erbringen und die Mitarbeiter der Klägerin vom 09.06. bis 27.06.2003 nicht einsetzen. Am 20.06.2003 zeigte die Klägerin den Arbeitsausfall für die Zeit vom 09. bis 30.06.2003 bei der Beklagten an und beantragte Kug.
Mit Bescheid vom 24.06.2003 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Kug auf die Anzeige über Arbeitsausfall infolge der mittelbaren Auswirkungen von Streikhandlungen ab. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2003 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei einem Arbeitskampf im Betrieb des Entleihers stehe dem Leiharbeitnehmer das Recht aus § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) zu, wonach der Leiharbeitnehmer im Arbeitskampf im Betrieb des Entleihers nicht verpflichtet sei, beim Entleiher tätig zu sein. Daraus erwachse dem Verleiher das Recht, den Leiharbeitnehmer anderweitig einzusetzen. Sei dies nicht möglich, sei der Arbeitgeber dennoch zur Lohnzahlung im Sinne von § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet.
Am 03.12.2003 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Dresden Klage erhoben, die durch Beschluss vom 27.04.2004 an das örtlich zuständige SG Düsseldorf verwiesen worden ist. Die Klägerin hat ihr Begehren auf Bewilligung von Kug weiter verfolgt und dabei die Ansicht vertreten, § 615 BGB treffe nur eine Regelung zum allgemeinen Betriebsrisiko, beim Arbeitskampfrisiko seien jedoch andere Maßstäbe anzulegen. Außerdem regele auch ein jeweils entsprechender Passus in den Arbeitsverträgen der betroffenen Mitarbeiter die entfallende Lohnzahlungspflicht bei Arbeitskämpfen. Zudem sei es unzumutbar gewesen, die Arbeitnehmer anderweitig einzusetzen, da die Leiharbeitnehmer für die T GmbH sofort hätten abrufbar gewesen sein müssen. Sofern anderweitige Einsatzmöglichkeiten nicht vorhanden seien, entfalle der Entgeltanspruch.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.06.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Kug gemäß ihrem Antrag vom 19.06.2003 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, das Entgeltrisiko verbleibe bei der Klägerin, weil sie nach anderen Einsatzmöglichkeiten hätte suchen müssen. Sofern dies nicht möglich sei, trage der Verleiher grundsätzlich das Lohnrisiko nach den Grundsätzen der Betriebsrisikolehre.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.06.2005 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin antragsgemäß Kug zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihr am 22.06.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 15.07.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, bei gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung stehe der Leiharbeitnehmer nur in einem Arbeitsverhältnis mit dem Verleiher und nicht mit dem Entleiher. Die vertragliche Verpflichtung des Leiharbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber sei im Kern nur darauf beschränkt, seine Arbeitskraft diesem zur Verfügung zu halten. Zweckbestimmte Dienste leiste er letztlich nur im Betrieb des Entleihers. Bei einem derart ausgestalteten Arbeitsverhältnis gehöre es zum allgemeinen Wirtschaftsrisiko des Verleihunternehmens, ob es die für es ständig bereit gehaltene Arbeitskraft des Leiharbeitnehmers nutzen könne oder nicht. Da ein Entgeltanspruch des Leiharbeitnehmers somit auch für Zeiten bestehe, in denen er seine Arbe...