Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. Genehmigung zur Anstellung eines Arztes. Klage eines konkurrierenden Arztes. Anfechtungsklage. Berufungsausschuss. Begründung der Genehmigung auch bei Erteilung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Die Klage eines konkurrierenden Arztes gegen die einem Medizinischen Versorgungszentrum durch gerichtlichen Vergleich erteilte Genehmigung zur Anstellung eines Arztes ist eine Anfechtungsklage.
2. Der Berufungsausschuss muss die Genehmigung der Anstellung eines Arztes wegen eines Sonderbedarfs gegenüber einem Arzt, der als Konkurrent die Genehmigung angreift, auch dann begründen, wenn sie im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilt wurde.
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 6.5.2011 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Außergerichtliche Kosten des Antragsgegners und der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Umstritten ist, ob die Anfechtungsklage des Beigeladenen zu 1 gegen die der Antragstellerin im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilte Genehmigung der Anstellung eines Arztes aufschiebende Wirkung hat und ob - bejahendenfalls - die sofortige Vollziehung der Genehmigungsentscheidung anzuordnen ist.
Die Antragstellerin, ein seit April 2007 an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmendes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Vertragsarztsitz in D , beantragte im Januar 2008 beim Antragsgegner die Erteilung der Genehmigung der Anstellung des Oberarztes der Abteilung Gastroenterologie des H Krankenhauses in D , PD Dr S . D liegt im Planungsbereich Westerwaldkreis, wo Zulassungsbeschränkungen für fachärztlich tätige Internisten bestehen. Die Zulassungsgremien lehnten den Antrag der Antragstellerin ab (Beschluss des Zulassungsausschusses vom 19.6.2008; Beschluss des Antragsgegners vom 29.10.2008). Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Mainz (S 2 KA 331/08) schlossen die Antragstellerin und der Antragsgegner, vertreten durch seinen Vorsitzenden, am 3.11.2010 einen gerichtlichen Vergleich, wonach der Antragsgegner die Anstellung von PD Dr S bei der Antragstellerin zur Deckung eines Sonderbedarfs im Schwerpunktgebiet Gastroenterologie mit Wirkung zum 1.1.2011 bei vollem Versorgungsauftrag genehmigte. In diesem Verfahren waren weder die Krankenkassen/-verbände noch die Beigeladenen zu 1 und 2 beteiligt.
Der Beigeladene zu 1, ein Internist mit Schwerpunkt Gastroenterologie mit Vertragsarztsitz in M , das ca fünf Kilometer von D entfernt liegt, hat am 7.12.2010 gegen die Anstellungsgenehmigung Klage beim SG Mainz erhoben (S 6 KA 309/10). Am 14.2.2011 hat die Antragstellerin beim SG beantragt festzustellen, dass die Klage des Beigeladenen zu 1 keine aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise die sofortige Vollziehung der Genehmigung der Anstellung von PD Dr S anzuordnen. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die Klage des Beigeladenen zu 1 habe keine aufschiebende Wirkung, da sie offensichtlich unzulässig sei. Der Beigeladene zu 1 sei nicht klagebefugt, weil er zweifelsfrei nicht in eigenen Rechten verletzt sein könne. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Abrechnungsstatistiken könne von einer wirtschaftlichen Betroffenheit des Beigeladenen zu 1 keine Rede sein. Die der Antragstellerin erteilte Genehmigung der Anstellung von PD Dr S wirke sich nicht auf die Erwerbsmöglichkeiten des Beigeladenen zu 1 aus.
Durch Beschluss vom 6.5.2011 hat das SG Mainz den Antrag der Antragstellerin abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für den Antrag auf Feststellung, dass die Klage gegen den gerichtlichen Vergleich vom 3.11.2010 keine aufschiebende Wirkung habe, fehle der Antragstellerin ein berechtigtes Feststellungsinteresse (Hinweis auf Bayerisches LSG 7.4.2010 - L 20 R 845/09 ER). Insoweit biete die Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eine ausreichende Rechtsschutzmöglichkeit, sodass es des Rückgriffs auf den allgemein gehaltenen Feststellungsantrag nicht bedürfe. Auch der hilfsweise gestellte Antrag auf Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG sei nicht erfolgreich. Die Klage des Beigeladenen zu 1 vor dem SG Mainz sei nicht unzulässig. Denn dieser könne durch den vor dem SG Mainz geschlossenen Vergleich in seinen Rechten verletzt sein, da sich das Leistungsangebot des PD Dr S und des Beigeladenen zu 1 deckten. Es bestünden zumindest erhebliche Bedenken an der Rechtmäßigkeit der im Wege eines gerichtlichen Vergleichs erteilten Genehmigung. Nicht der Vorsitzende des Antragsgegners, sondern der Berufungsausschuss in seiner vollen Besetzung sei für die Erteilung einer solchen Genehmigung zuständig. Da die in dem gerichtlichen Ve...